Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
rotierte. Wenn sie tatsächlich in die Tiefe sprangen und nicht sofort niedergestochen, mit einem Elektroschocker attackiert, mit Gas besprüht, erschossen, niedergeschlagen, gegrillt oder mit einer kleinen Nuklearwaffe verstrahlt wurden … würden sie es dann schaffen abzuhauen? Das Haus unten auf dem Nachbarhügel schien am geeignetsten zu sein. Doch da hatte offensichtlich seine barbusige Freundin ihr Lager aufgeschlagen. Vielleicht war sie immer noch da unten, mit ein paar ihrer Freunde. Aber den Berg hinauf sah es noch schlechter aus. Konnte man dort nach beiden Seiten abhauen? Hardie versuchte sich zu erinnern, wie die Landschaft beschaffen war. Die Geografie hier oben verwirrte ihn, hier passte absolut nichts zusammen.
Aber was war die Alternative? Bleiben und verbrennen? Sie musste springen.
»Los, Lane.«
Nichts.
»Lane?«
Alles wird gut.
Alles wird gut.
Wie ein Mantra:
Alles wird gut.
In der katholischen Grundschule hatte ein Priester zu Lane gesagt – damals hieß sie noch Lorianne –, dass Gott einem nie mehr aufbürdet, als man tragen kann. Wie aussichtslos die Lage auch scheint, er weiß, dass du stark genug bist, um die Lage zu meistern.
Lane hatte ihren katholischen Glauben abgelegt, als …
tja, lange bevor sie aufgehört hatte, Lorianne Madinsky zu sein. Doch ein Teil dieses Weltbildes steckte immer noch in ihr, war fest in ihrem Kopf verankert und lieferte ihr eine Erklärung dafür, wie das Universum funktionierte, wenn es keine rationale oder einleuchtende Begründung gab.
Wenn sie das hier also ertragen sollte … dann wohl, weil sie stark genug war, es zu ertragen, weil es ihr bestimmt war, es zu ertragen, und weil alles gut würde .
So musste es sein. Andernfalls hätte Gott sie schon vor Jahren getötet, oder?
Darum krabbelte Lane zurück in den geheimen Wandschrank.
»Lane!«
Wo zum Henker steckte sie?
Hardie sank auf alle viere. Man konnte hier im Erdgeschoss immer weniger erkennen. War sie bereits dem Rauch zum Opfer gefallen? Nein, wenn es sie erwischt hätte, hätte es ihn auch erwischt. Hardie schaute unter dem Bett nach — nichts. Er hastete in die gegenüberliegende Ecke, und plötzlich wusste er, wohin sie verschwunden war, verdammt.
Hardie stürzte in den geheimen Wandschrank, als der Qualm mit voller Kraft ins Erdgeschoss strömte, sich unter der niedrigen Decke sammelte und zusehends tiefer sank. Jetzt konnte er auch die Sirenen hören, doch er glaubte, dass ihnen das nicht viel nutzte, wenn sie in ein paar Sekunden die giftigen Dämpfe einatmeten. In weniger als einer Minute wäre der ganze Raum von Rauch erfüllt. Sie mussten raus hier.
Oder er legte sich einfach hin, um zu sterben.
Das hast du doch schon mal gemacht, oder, Charlie? Du dachtest, du wärst der Größte, hast dich aufgerappelt, bist aus dem Hintereingang geschlichen, in die Garage gestürmt, hast den Wagen gestartet und bist durch dein eigenes Garagentor gekracht und zu Nates Wohnung geheizt, während du die Polster vollgeblutet hast. Aber das ist okay. Denn du dachtest, du wärst so was wie ein Held. Und wie ist die Sache ausgegangen? Na los. Leg dich hin und stirb. Niemand erwartet was anderes von dir. Das kannst du am besten. Leg dich hin und stirb.
Hardie sagte der Stimme in seinem Kopf, sie solle sich verpissen, dann streckte er in der Dunkelheit des Wandschranks seine Hand aus.
»Lane, Hergott nochmal.«
Hardie strich mit seinen Fingern über ihre Hand. Sie wich zurück, brüllte, er solle verschwinden, sich in Sicherheit bringen, sie seien nicht hinter ihm her, sondern nur hinter ihr. Hardie ignorierte sie und schaffte es, mit einer Hand ihren Unterarm zu packen, und zog sie vorwärts. Doch sie zuckte zurück und schrie, er solle sie in Ruhe lassen, es sei vorbei, er müsse sich in Sicherheit bringen. Dann glitt ihm ihr Arm aus der Hand.
Und alles um sie herum fing an einzustürzen.
Zwischenspiel mit zwei halbwegs bekannten Killern
Barstow, CA — heute
D ie Psychopathen kamen aus der Wüste, um zu frühstücken.
Das erste Diner, an dem sie vorbeikamen, lag in Barstow. Glücklicherweise gehörte es zu keiner Restaurantkette. Die waren zum Kotzen. Sie standen auf Hausgemachtes. Das Mädchen deutete mit fragendem Blick auf ein Auto, doch der junge Mann schüttelte den Kopf. Erst was zu essen, dann den Wagen. Er sagte, er habe großen Appetit auf Rühreier mit scharfer Soße, und dazu vielleicht ein paar Peperoni. Das Mädchen schüttelte den Kopf und
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