Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
Abends tauchten sie vor meiner Haustür auf. Einer von ihnen drückte auf die Hupe, und der andere rief meinen Namen. Ich erkannte ihren Akzent wieder und wusste, wer vor der Tür stand. Har-DIE, Har-DIE, brüllten sie. Ziemlich dreist. Auf eine perverse Art bewunderte ich sie sogar dafür.«
»Deine Familie …«, sagte Lane.
»Meine Familie war bei meinen Schwiegereltern, zum Glück. Ich arbeitete zu hart, und wenn man zu hart arbeitet, nimmt man seine Angehörigen als etwas Selbstverständliches hin, denn schließlich macht man das alles ja für sie, oder? Und du denkst, sie schlucken das einfach und haben Verständnis dafür. Tja, das ist aber nicht der Fall.«
»Ja«, sagte Lane. »Das versteh ich.«
»Wie auch immer, ich bin also allein zu Haus, und diese Arschgesichter besitzen die Frechheit, mich dort aufzusuchen und meinen Namen zu rufen, wie irgendwelche Schläger, die eine Prügelei anzetteln wollen. Ich schnappe mir also zwei meiner Pistolen und stelle in Gedanken schon ein ›Zu verkaufen‹-Schild vor dem Haus auf, weil ich denke, ich werde ein paar von diesen Scheißkerlen erledigen und dann ausziehen. Es war ein hübsches Haus, aber das war es die längste Zeit gewesen. Ich laufe in den ersten Stock, reiße eines der Fenster auf und fange an zu schießen. Und sie erwidern das Feuer. Aus vollen Rohren. Mit ihren Remington 870ern und luftgekühlten M4-Gasdruckladern machen sie aus dem ersten Stock meines Hauses, aus dem Erdgeschoss, aus dem ganzen verdammten Ding Kleinholz. Splitter fliegen durch die Luft, Glas prasselt herab. Ich werde einmal getroffen und gehe hinter der großen Kommode, die meine Frau geerbt hat, in Deckung. Das Holz sollte dick genug sein, um die Kugeln abzufangen. Sie feuern noch ein paar Sekunden weiter und … das war’s. Es ist vorbei. Ich höre einige Worte Albanisch, dann Reifenquietschen, und wie sie meine Straße runterbrettern.«
»Mein Gott.«
»Nein, Gott hat sich nicht sonderlich für mich interessiert, denn sonst hätte er mich vielleicht vom größten Fehler meines Lebens abgehalten.«
»Was ist passiert?«
»Ich bin losgefahren, um meinen Freund Nate zu retten.«
Der Denkprozess in Hardies Reptilienhirn lief damals etwa folgendermaßen ab:
Wenn sie seine Adresse rausgekriegt hatten, dann zweifellos auch die von Nate Parish. Schließlich hatte sie beide ihre Häuser ungefähr zur selben Zeit bezogen. Sie waren Partner, und es war eine ausgemachte Sache, dass das, was einem von ihnen passierte, auch den anderen betraf. Sicher, Nate war derjenige mit dem offiziellen Job und der Kopf hinter der Sache, doch sie hingen gemeinsam da drin. Sie waren zwei Soldaten im Krieg.
Und wenn der Feind sich zeigte und ein paar Warnschüsse auf sein Haus abfeuerte …
Dann war Parishs Haus garantiert als Nächstes dran.
»Ich stürzte durch die Hintertür, trat das Garagentor ein — ich wollte mich nicht damit aufhalten, es aufzuschließen –, sprang in meinen Wagen und fuhr los. Während ich die Straße entlangheizte, betete ich zu Gott, dass ich nicht zu spät kam. Dass, wenn ich dort ankam, nicht die Fenster zertrümmert waren und die Tür offen stand. Ich glaube, ich fuhr hundert Sachen in einer Fünfziger-Zone, aber das war mir egal. Als ich eintraf, war alles in Ordnung. Ruhig. So wie immer. Nate, seine Frau und die zwei Kinder hockten auf dem Sofa und taten, was sie sonst auch taten, sie lasen, daddelten am Computer oder malten Bilder. Sie gehörten nicht zu jenen Familien, die zusammen Brettspiele spielten oder Kumbaya sangen, aber was sie auch taten, sie taten es stets gemeinsam. Das habe ich an Nate immer bewundert. Irgendwie hatte er es geschafft, alles unter einen Hut zu bringen. Die Familie, den
Job, seinen scharfen Verstand, alles. Nate bemerkte mich sofort, wie ich blutend und zitternd in der Tür stand. Er zerrte mich ins Haus, fragte, was los ist, und ich erzählte ihm von den Albanern. Inzwischen brachte seine Frau die Kinder nach oben, außerdem wollte sie den Erste-Hilfe-Koffer holen. Sie wusste, dass an diesem Abend wahrscheinlich noch Arbeit wartete und sie ihren Mann frühestens am nächsten Nachmittag oder Abend wiedersehen würde. Aber weißt du was? Sie sollte ihren Mann nie wieder sehen, denn als Nate mich an den Küchentisch setzte, stürmten die Albaner die Wohnung. Ein echtes Killerkommando.«
Lane senkte den Blick, holte tief Luft.
»Wie sich herausstellte, kannten sie Nates Adresse gar nicht. Er war zu clever gewesen. Er
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