Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
damit sah sie wirklich umwerfend aus.
Als Lane Charlies Gepäck durchstöberte, stieß sie auf eine kleine Ledertasche. Sie öffnete den Reißverschluss. Darin befanden sich ein Deostift aus Plastik — »Momentum«. Ein Nassrasierer mit Wechselklingen. Eine abgenutzte Zahnbürste. Eine kleine Arzneiflasche aus Hartplastik, ausgestellt auf Charles D. Hardie. Schmerztabletten. Lane schaute zu ihm hinüber. Er schenkte ihr keinerlei Beachtung. Sie schnappte sich ein T-Shirt, steckte die Flasche wieder in die Tasche und betrat die Dusche.
Sie hatte genug davon, gejagt zu werden, und von den Schuldgefühlen, die an ihrer Seele nagten. Wenn es dazu
käme, würde Lane der Sache ein Ende bereiten, aber zu ihren Bedingungen. Sie würde niemanden mehr verletzen.
Und sie würde sie nicht gewinnen lassen.
Hardie hockte auf der Kante des Doppelbetts und hörte, wie die Federn unter seinem Gewicht ächzten, während er sich große Mühe gab, nicht an Lane zu denken, die sich auf der anderen Seite der dünnen Tür gerade auszog.
Er würde gerne ein Bier trinken — nur zum Munterwerden –, bevor er Deke anrief. Vielleicht sollte er losziehen und eins holen. Irgendwo in der Nähe gab es bestimmt eine Kneipe oder einen Kiosk, wo man ein Bier oder ein Sixpack kaufen konnte. Mein Gott, das hatte er sich wirklich verdient. Vielleicht gab es sogar einen Spirituosenladen, wo er eine Flasche Jack Daniels kaufen konnte.
Doch er rührte sich nicht vom Fleck. Ein Streifen grellen Sonnenlichts fiel durch die schmutzigen goldfarbenen Jalousien. Staubpartikel, angetrieben von einer unsichtbaren Kraft, schwebten in der Luft. Auf der anderen Seite der Tür stellte Lane das Wasser an.
Zeit für den Anruf.
Was hätte er jetzt für ein Bier gegeben.
Normalerweise hielt er sich jedoch nicht mit Bier auf. Er fing direkt mit Bourbon an. Bier gluckerte im Bauch und betäubte kaum das Gehirn. Der gute alte amerikanische Bourbon wusste, wie das Hirn arbeitete, und welche Knöpfe zu drücken waren und welche nicht. Doch Hardie wollte nicht, dass seine Knöpfe gedrückt wurden. Noch nicht. Er wollte ein Bier.
Doch er durfte sich nicht von der Bettkante erheben.
Wenn er das tat und durch die Tür ging, würde das hier alles womöglich verschwinden und er käme auf einem Ledersofa mit einer Flasche im Schoß wieder zu sich und stellte fest, dass er nur geträumt hatte. Doch so schlimm die ganze Geschichte auch war, er war noch nicht bereit zu akzeptieren, dass alles nur ein Traum war. Noch nicht. Nicht bevor er Licht in die Sache gebracht hatte.
Im Bad wurde eine Tür auf- und wieder zugeschoben. Jetzt stand sie unter der Dusche.
Er kam sich vor wie eine Leiche, die langsam zu neuem Leben erwachte. Durch seine Venen jagte wieder Blut, Blut, von dem er geglaubt hatte, dass es längst versiegt war. Im urzeitlichen Bereich seines Gehirns erwachten die Gehirnzellen zuckend zu neuem Leben. Charlie Hardie Frankenstein. Es lebt!
Dann stand er plötzlich auf und trat zur Badezimmertür. Lauschte dem Rauschen des Wassers der Dusche. Er hätte ein Bier holen sollen. Stattdessen nahm er das Zimmertelefon ab und wählte die Nummer für ein R-Gespräch.
In Philadelphia war es bereits drei Stunden später — Eastern Standard Time. Deacon »Deke« Clark wendete gerade ein paar Steaks auf seinem Gartengrill, nippte an seinem zweiten Bier, als sein Handy summte. Er ging stets dran. Die Vorwahl sagte ihm nichts.
»Deke, ich bin’s. Charlie.«
»Hey. Wie geht’s, Hardie? Was ist los?«
Deke wusste, dass er kurz angebunden war. Er telefonierte nicht gern.
»Ich bin ganz schön im Arsch, Deke, um ehrlich zu sein. Meinst du, du könntest irgendwann heute Abend herkommen?«
»Wohin?«
»Los Angeles.«
Deke hielt inne, die Grillzange in der Hand, während der Rauch aufstieg und die Kohlen dunkelrot glühten. »Was ist los, Hardie?«
Hardie erzählte schnell von seinem Haussitter-Job, und davon, wie er in der Wohnung auf eine Einbrecherin gestoßen war und ihm klar wurde, dass das Haus von Leuten umstellt war, die die Einbrecherin töten wollten, und wie sie gerade noch mal mit dem Leben davongekommen waren. Eigentlich hätten wir nicht entkommen dürfen, sagte Hardie. Wir haben wahnsinnig Glück gehabt. Und irgendwie hat alles mit einem alten Fall von Fahrerflucht in Studio City zu tun, bei dem ein Junge namens Kevin Hunter getötet wurde.
»Du verarschst mich nicht, oder?«
» Würde ich mir so was wirklich ausdenken?«
»Du willst
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