Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
Internets und in die Boulevardmagazine.
Würde irgendjemand Fragen stellen, wenn sie sich eines Abends nach einer Party eine Überdosis verpasste?
Nicht mal ihr Agent würde Verdacht schöpfen. (Das heißt, falls ihr Agent nicht längst für Doyle und Gedney arbeitete — die Loyalität gegenüber einem Klienten war eine Sache, aber die Loyalität gegenüber einer Agentur etwas ganz anderes.)
»Stellen Sie mein Vertrauen wieder her«, sagte Gedney jetzt. »Ich weiß nur, dass wir es mit einer Schauspielerin zu tun haben, die an die Öffentlichkeit gegangen ist und sich womöglich an die Medien wendet. Außerdem steht auf dem Hollywood Boulevard ein Lieferwagen mit Ihren Spielsachen.«
»Um den Lieferwagen kümmern wir uns bereits«, sagte Mann. »Ein Kontaktmann bei der Polizei schafft ihn fort und sorgt dafür, dass nichts davon in den Akten auftaucht.«
» Und die Zielpersonen? «
»Wir kennen ihren Aufenthaltsort, und wir werden sie in Kürze festsetzen«, sagte Mann. »Sobald wir sie aus dem Verkehr gezogen haben, kommt ein neuer Handlungsablauf zum Einsatz, um die Ereignisse von heute zu erklären.«
»Ach ja?«
»Ja.«
»Und dieser Charlie Hardie? Was wissen Sie über den?«
Mann hatte keine Lust, ihm die Wahrheit zu sagen: dass sie Factboy beauftragt hatte, einfach alles über Hardie auszugraben, in der Hoffnung, dass er neben dessen Job als Haussitter auf eine weitere Verbindung zu L. A. stieß — vielleicht einen pensionierten Cop, den er hier kannte und dem er vertraute, oder irgendeinen Familienangehörigen in Südkalifornien. Gerade Hardie sollte wissen, dass man nicht einfach abtauchen konnte.
»Wegen Hardie mache ich mir keine Sorgen. Er ist verwundet und hat hier nur wenige Freunde. Wenn überhaupt.« Gedney sagte keinen Ton. Mann konnte das nicht leiden, Schweigen war am Schlimmsten.
»Wir kriegen das hin«, sagte Mann und hasste den flehenden Tonfall, der sich in ihre Stimme mischte.
»Vermasseln Sie’s nicht. Sie wissen, was auf dem Spiel steht.«
»Natürlich.«
Die Reise war vorbei. Ms. Factboy hatte die Nase voll gehabt von den Magenproblemen ihres Mannes und beschlossen, die Heimfahrt anzutreten. Während die Kinder zu Hause in Flagstaff wie die Irren draußen herumrannten, kam Factboy endlich dazu, den Charles-Hardie-Mythos gründlicher zu erforschen. Es war eine Wohltat, dass er jetzt einen Computer statt eines Telefons benutzen konnte. Durch das stundenlange Herumgetippe darauf waren seine Finger völlig verkrampft gewesen.
Die Dokumente, die Factboy in fünfzehn Minuten knacken konnte, waren verstörend.
Noch verstörender waren jedoch die Dokumente, die er nicht knacken konnte.
»Hör dir das an«, sagte er zu Mann. Seine Ausführungen waren knapp, aber präzise:
Charlie Hardie hatte nie als Cop gearbeitet. Nie eine Marke getragen, nie einen Fuß in die Polizeischule gesetzt. Der Begriff »Berater« traf es auch nicht ganz. Laut den geheimen Akten eines Ermittlungsausschusses erledigte Hardie für die Polizei in Philadelphia, im stillschweigenden Einverständnis mit der Führungsetage, inoffiziell die Drecksarbeit. Musste eine Tür eingetreten werden, rief man Hardie. Musste ein Zeuge bis zum Prozess beschützt werden, forderte man Hardie an. Und manchmal, wenn
der Polizei angesichts einer ernsten Bedrohung die Hände gebunden waren und eine Quelle des Verbrechens beseitigt werden musste, drückte man ihm eine Pistole in die Hand.
(Das stehe zwar nicht explizit in den Unterlagen des Ermittlungsausschusses, sagte Factboy, doch das könne man deutlich zwischen den Zeilen lesen.)
Hardies Ansprechpartner und »Mentor« — der Mann, der ihn ins Team geholt hatte — war ein legendärer Detective namens Nathaniel Parish. Sie waren in einem üblen Viertel im Norden von Philadelphia zusammen aufgewachsen. Und hatten dann unterschiedliche berufliche Laufbahnen eingeschlagen, bis sie sich vor neun Jahren eines Abends erneut über den Weg liefen. Hardie war in das alte Viertel zurückgekehrt und in eine gewaltsame Auseinandersetzung mit einer Drogengang verwickelt worden, die einen Zeugen verprügelt hatte, um diesen einzuschüchtern. Als Parish am Tatort eintraf, hockte Hardie in einem Reihenhaus, umgeben von Leichen, triefend vor Blut, fremdem Blut, und trank mit dem Besitzer einen Tee — dem vierundachtzigjährigen Zeugen in einem Fall von Brandstiftung/Folter/Mord. Die beiden plauderten über die alten Zeiten. Hin und wieder kicherte Hardie sogar, trotz des
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