Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
sein. Zahnbürste, Rasierer. Nur keine Schmerztabletten. Na toll. Wahrscheinlich hatte er sie bei seinem letzten Auftrag liegen lassen.
Also putzte Hardie sich stattdessen die Zähne. Währenddessen wurde ihm klar, dass seine sauberen Sachen im Koffer, drüben im anderen Zimmer, lagen. Er hatte nicht vor,
mit einem Handtuch um die Taille dort herumzumarschieren. Die Tücher waren groß genug für ein zehnjähriges Mädchen, aber nicht für einen Mann von Hardies Größe. Die Schauspielerin könnte einen falschen Eindruck bekommen. Also zog er seine verräucherte, zerrissene und blutverschmierte Jeans wieder an und betrachtete sich im Spiegel. Das war zumindest besser als ein Handtuch. Er hatte immer noch diesen unangenehmen metallischen Geschmack im Mund, also quetschte er noch mehr Pasta aus der Tube und fing an, sich erneut die Zähne zu putzen. Als er kurz darauf die Tür öffnete, zwickte etwas an seinem Hals, und er fand sich zu seiner Verwunderung auf den Knien wieder.
Jemand flüsterte:
»Psssst.«
Hardies Arme fühlten sich wie Gummi an. Langsam glitt die Zahnbürste aus seinen Fingern. Er schaffte es nicht, seine Hand fester zu schließen. Seine Finger taten nicht, was sie sollten. Und schließlich rutschte die Bürste ganz aus seiner Hand.
Bevor sie auf dem Teppich landete, wurde sie von einem Handschuh aufgefangen.
Und weitere behandschuhte Hände hoben ihn wieder hoch.
Im Zimmer brannte kein Licht.
Trotzdem konnte er erkennen, was sie mit Lane, drüben auf dem Bett, angestellt hatten.
Factboy verfolgte routinemäßig sämtliche Anrufe zurück, die bei Special Agent Deacon, Philadelphia, Federal Bureau of Investigation, eingingen. Zu Hause, im Büro und auf seinem
Handy. Mit dem Zauberwort »Patriot Act« war das gar kein Problem, selbst wenn es sich um einen Bundesagenten handelte. Hey, die Tatsache, dass Clark ein Bundesagent war, machte die Sache noch leichter. Trotzdem konnte Factboy es nicht glauben, als er fast umgehend einen Treffer landete — ein Anruf aus einem Hotelzimmer in Hollywood, bei Los Feliz.
Mann hatte inzwischen ein neues Team zusammengestellt, es war bereits auf den Straßen Hollywoods unterwegs. Das Hotel war lediglich zwei Minuten entfernt. Und fünfundvierzig Sekunden später fuhren sie dort vor.
Mann bedankte sich sogar bei Factboy und sagte, er habe gute Arbeit geleistet. Er war zu erstaunt, um etwas zu erwidern, und stammelte, dass das eine gute Fangschaltung sei (was zum Geier sollte das überhaupt heißen?). Mann legte auf, und Factboy fragte sich, ob er für heute fertig war, ob er nach oben zu seiner Familie zurückkehren konnte. Denn das sollte er unbedingt tun. Die Dinge mit seiner Frau wieder ins Lot bringen, seine Kinder anschauen, ihnen den Bauch kitzeln und sagen, dass er sie lieb habe. Dass er all diese schrecklichen Dinge tue, weil er sie lieb habe.
Taten das nicht alle Väter?
Lane lag auf dem Bett und wartete auf ihn. Man hatte sie ausgezogen, und sie konnte sich offensichtlich nicht bewegen. Abgesehen von ihren angsterfüllten Augen und ihrer Brust, die sich leicht hob und senkte. Sie ließen sie immerhin atmen. Vorerst. Hardie versuchte, nicht hinzusehen, doch eine behandschuhte Hand drückte gegen sein Kinn und hielt sein Gesicht nach vorne.
»Na, na, na«, sagte eine sanfte Stimme. »Schau sie dir an. Du wolltest sie haben, seit du sie das erste Mal gesehen hast. Ist es nicht so, Charlie? Deine kleine Filmschönheit.«
Hardie kannte die Stimme. Seine barbusige Freundin. Wie kam es, dass er, jedes Mal wenn er sie hörte, auf nackte Brüste starrte? Und ihm gleichzeitig beim Klang ihrer Stimme das Blut in den Adern gefror und er an den Tod denken musste?
Die behandschuhten Hände führten ihn zum Bett, hielten ihn an der Taille fest, packten seine Beine. Ein schreckliches Gefühl. Er war völlig wehrlos, ein Haufen Gummifleisch, das von Plastikknochen herabhing, bereit, jede beliebige Haltung einzunehmen, bewegt und postiert zu werden, wie immer sie es wollten. Während Hardie näher ans Bett geschoben wurde, sah er, dass Lanes Augen geöffnet waren — glasig, aber geöffnet. Sie hatten ihr ebenfalls irgendwas verabreicht.
»Ist sie nicht wunderschön, Charlie? Wir haben all ihre Filme, Fotos und Zeitschriftenartikel in der Reisetasche gefunden, die du immer dabeihast. Gib’s zu. Du schaust sie dir gerne an, und, wow, jetzt hast du sie endlich hier bei dir, leibhaftig, direkt vor dir. Und du kannst mit ihr tun, was du willst.«
Die
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