Der Bewacher - Swierczynski, D: Bewacher - Fun & Games
Jane Kindred spielte, aus dem gestohlenen Wagen, drückte behutsam die Tür zu, ging zum Kofferraum und nahm eine Isoliertasche heraus. Mit der Tasche in den Armen schlenderte sie leise die Straße hinauf.
Auf der Rückseite des Hauses, im Schutze von Bambusbäumen, schaltete A. D. 2 das Sicherheitssystem aus sowie die Flutlichter längs des Hauses und des Gartens.
Als die beiden Cops hustend wieder zu sich kamen, herumkrabbelten und sich fragten, was zum Henker eigentlich passiert war, machte Hardie sich aus dem Staub. Und schließlich begriff er, warum er die ganze Zeit am Leben geblieben war.
Gott, du gerissener Scheißkerl. Deine Wege sind nicht unergründlich. Nein, deine Wege sind letzten Endes sonnenklar.
Und das hier war das Ende; daran hatte Hardie keine Zweifel. Man hatte ihn auf diesem Planeten zu einem einzigen Zweck am Leben gelassen: um dafür zu sühnen, dass er eine unschuldige Familie hatte sterben lassen. Und wie sollte er das tun? Natürlich indem er einer anderen Familie das Leben rettete.
Danke, Gott, dass mir endlich ein Licht aufgeht. Schön zu wissen, dass du uns nicht ewig im Unklaren lässt.
Ein weiterer Beweise für Gottes Wunsch, dass er etwas unternehmen sollte: all die Geschenke.
Vor ein paar Minuten hatte Hardie rein gar nichts. Und jetzt hielt er zwei Glock 23 sowie vier volle Smith&Wesson-Magazine, Kaliber 40, in den Händen. Er hatte keine Ahnung, was für eine raffinierte Nummer seine barbusige Freundin diesmal abziehen würde. Aber das spielte keine Rolle. Er hatte ihr heute Morgen die Tour vermasselt, also würde er ihr heute Nachmittag ebenfalls die Tour vermasseln. Sollte sie ruhig ihre Spritzen und magischen Giftpfeile, ihre chemischen Kampfstoffe und den ganzen Agatha-Christie-Kram mitbringen. Hardie würde mit diesen Glocks das Feuer eröffnen und erst aufhören, wenn seine barbusige Freundin, ihr groß gewachsener Freund und alle anderen, die nicht zur Hunter-Familie gehörten, tot waren.
Er trug ein schwarzes Button-Down-Polizeihemd aus Polyester, das er dem zweiten Beamten, der ihn verhaftet hatte, ausgezogen hatte. Hardie wollte nicht mit nacktem
Oberkörper in einem gestohlenen Polizeiwagen herumkutschieren. So was würde auffallen.
Er hatte also einen Polizeiwagen; er hatte Funkgerät und Bordcomputer deaktiviert sowie das Navigationsgerät, die Überwachungskamera und die angeblich geheime Ortungsfunktion, über die jeder Polizeiwagen verfügte. Wie sich herausstellte, war die Ausrüstung dieselbe wie in Philly. Nate hatte ihm vor Jahren gezeigt, wie man das Zeug ausschaltete. Manchmal , hatte Nate gesagt, muss man einfach untertauchen.
ACHTUNDZWANZIG
Höhere Gewalt; eine natürliche und unabwendbare
Katastrophe, die den gewohnten Lauf der Dinge unterbricht.
DEFINITION VON »FORCE MAJEURE«
A n dem Holztor, das zu dem Weg neben dem Haus der Hunters führte, klebte ein handgeschriebener Hinweis: BITTE TÜR SCHLIESSEN, DAMIT UNSER HUND NICHT ABHAUT. Der Mann, der Philip Kindred spielte, wusste, dass dies nur eine Maßnahme gegen Einbrecher war; die Hunters besaßen keinen Hund.
Leise kletterte er den Holzzaun hinauf und ließ sich auf der anderen Seite wieder herab; seine Turnschuhe klatschten auf den Asphalt. Im Haus lief bereits der Fernseher, der THX-Sound der DVD dröhnte aus der Anlage.
Rasch lief er den Asphaltweg hinunter, vorbei an sauberen Müllbehältern und Wertstofftonnen, einem akkurat zusammengerollten Gartenschlauch und einem sorgfältig gestutzten Strauch, bis er schließlich in den Garten kam. Genau jetzt sollte die Schauspielerin, die Jane spielte, vor die Haustür treten und klingeln …
Jonathan Hunter ging zur Tür, so wie immer. Er hatte den Gesamtbetrag plus Trinkgeld (38 Dollar) in der Tasche, denn sie bestellten jede Woche das Gleiche bei derselben Pizzeria drüben am Ventura Boulevard (eine große sizilianische Pizza mit Tomaten, eine mittelgroße Pizza mit Mozzarella und Chicken Wings ohne Knochen mit einer milden Cajun-Gewürzmischung). Währenddessen ließen sie jedes Mal den Warnhinweis für Videopiraten sowie den THX-Vorspann und die Trailer durchlaufen und hielten die DVD exakt beim Firmenlogo an, so dass sie den Film sofort starten konnten, sobald das Essen eintraf.
Heute war Familien-Fernsehabend; dieser Abend war ihnen heilig. Es gab nichts, was Jonathan davon abhalten konnte. Kein Geschäftstermin, keine Reisepläne, egal, wie »wichtig« sie angeblich waren. Der Sender wusste das, seine
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