Der bewaffnete Freund
Pflastersteine, die staubigen Dorfwege saugen die Nässe auf, verfärben sich dunkel. Ich halte Hanna an der Hand, das Wasser rinnt ihr über die Haut, sie klagt über den plötzlichen Kälteeinbruch. Ich nehme sie auf den Arm und laufe auf das Haus von Montserrats Familie zu. Es sieht jetzt wirklich wie eine Festung aus: die massiven Quader, aus denen die Türbogen zusammengesetzt sind, das gusseiserne Gitter vor dem Fenster der Sala, die schwere, vierflügelige Holztür. Ich will hinein, doch Montserrats Mutter verstellt mir den Weg. Sie hat die oberen Türflügel geöffnet und nimmt Hanna entgegen, macht jedoch keine Anstalten, auch mich hereinzulassen. Als wäre mein Platz ganz selbstverständlich der auf der Straße. Ich bleibe im Regen stehen. Meine Kleider werden schnell nass, mir ist kalt, ich beginne mit den Zähnen zu klappern, fast wie aus Furcht, während Montserrats Mutter mit Hanna auf dem Arm an der halbgeöffneten Tür steht und mich anblickt – nicht schadenfroh, nicht mitleidig, nicht besonders interes siert. Ich überlege, ob ich sie ansprechen, um Einlass ins Haus bitten soll, aber sie scheint so von der Normalität der Situation überzeugt, dass ich mich nicht traue, einen Satz an sie zu richten.
Mein Blick fällt durchs Fenster der Sala. Am großen Bauerntisch sitzt die halbe Familie, es wird gleich Essen geben, die Weißbrotstangen liegen angeschnitten neben den Salattellern. Am Kopfende des Tisches, zum Fenster hin, sitzen Katharina und Rabbee. Sie unterhalten sich angeregt, ich wundere mich darüber, dass sie sich gut zu verstehen scheinen, frage mich, wie sie in dieses Haus gekommen sind. Als sie mich sehen, nicken sie mir kurz zu – auch sie ohne Lächeln, ohne Groll, auch sie offensichtlich davon überzeugt, dass mein Platz draußen vor der Tür ist, ausgeschlossen von der Tischgesellschaft. Wo mir der Regen kalt durchs Gesicht läuft.
Ich wünsche mir davonlaufen zu können. Aber nicht einmal das kann ich.
Nach einer Viertelstunde kehren Zubieta und sein Begleiter zum Wagen zurück.
»Wir hatten hier ein Depot«, erklärt der Freund. »Aber die verdammten Spanier mussten natürlich alles unter Wasser setzen.«
»Die Comunidad de Valencia«, korrigiert ihn der andere. »Du musst dich nicht immer so auf deine Spanier einschießen. Diesen Staudamm hat die Regionalregierung gebaut … das sind Katalanen.«
»Depot?«, frage ich verunsichert.
»Ein Erddepot«, erklärt Zubieta. »Haben wir vor Ewigkeiten angelegt.«
Wieder ärgere ich mich. Es war nicht abgesprochen, ein Lager auszuheben. Ich habe mich angeboten, Zubieta zu fahren. Mehr nicht. Doch das sage ich nicht, sondern wiederhole stattdessen:
»Ein Erddepot … und was ist da drin?«
»Würstchen …« Zubieta lacht. »Sozusagen.«
»Wie Würstchen sozusagen?«
»Erinnerst du dich an López-Würstchen? Die aus der Fernsehwerbung? Diesen López haben wir entführt. Er hat 500 Millionen gezahlt.«
»500 Millionen?«, frage ich ungläubig.
»Peseten natürlich.«
»Gibt sowieso keine Peseten mehr«, stellt der Mann auf der Rückbank fest. »Brauchen wir uns wegen überfluteter Erddepots nicht weiter den Kopf zu zerbrechen.«
»Mann«, sagt Zubieta, »wir waren doch nicht blöd. Bei der Inflation damals haben wir keine Peseten vergraben.«
Ich schaue auf die Uhr. Wir stehen seit zwanzig Minuten an der gleichen Stelle. Es war nicht abgesprochen, dass wir ein Depot suchen gehen, ich habe erst in der Garage erfahren, dass wir zu dritt fahren. Ich sollte die beiden absetzen und das Weite suchen. Man könnte nicht behaupten, dass ich sie hängen lassen würde. Sie haben nicht die Wahrheit gesagt, sie haben mich funktionalisiert. Doch ich suche nicht das Weite, ich frage: »Sondern?«
»Gold.«
»Warum eigentlich hier und nicht in Frankreich?«, fragt der Mann von hinten.
»Wir hatten hier in der Gegend eine feste Struktur«, erklärt Zubieta. »Damals waren wir nicht so eine Gurkentruppe wie heute. Damals wurde noch richtig gearbeitet.«
Der Mann auf der Rückbank lacht auf, es klingt wie ein Wiehern. »Ein Unterwasserdepot. Sehr weitsichtig.«
»Ich würde gern weiterfahren«, werfe ich kraftlos ein.
»Ja«, Zubieta scheint neue Hoffnung geschöpft zu haben, »vielleicht kommt man von der anderen Seite heran.«
Die Sonne strahlt seitlich in den Wagen hinein. Die Hände des Freundes sehen hell aus im Licht, fast weiß. Hinter ihm erstreckt sich der Stausee.
»Also wo lang?«, frage ich.
»Die Straße weiter und
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