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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Männer, den Wunsch haben, noch einmal etwas neues anzufangen. Ein Alter, in dem sich die Krankheiten zu häufen beginnen.
    »Und?«, frage ich.
    »Wir setzen Pablo am nächsten Bahnhof ab und fahren weiter.«
    Mir gefällt der Gedanke: das Depot zurücklassen, den Dritten loswerden, das Weite suchen. Umso schneller wir aufbrechen, desto schneller habe ich alles hinter mir. Trotzdem sage ich: »Willst du dich nicht erst ausruhen? Du siehst erschöpft aus.«
    »Erschöpft?«, wiederholt Zubieta.
    »Krank.«
    »Nein, nein … ab jetzt ist alles ein Kinderspiel.«
    Und ich hoffe im Stillen, dass er Recht hat.

XVII
    Eine abseits gelegene, heruntergekommene Bahnstation: verfallene Lagerhalle, zwei gekrümmte Gleise, der Bahnsteig von Gras überwuchert. In Augenblicken wie diesen hat die Entvölkerung der ländlichen Gebiete Spaniens auch ihr Gutes. Ich lege dem Mann namens Pablo zum Abschied die Hand auf die Schulter und wünsche ihm jenes Glück, von dem ich denke, dass er es brauchen wird.
    Bedächtig steigt er aus dem Wagen aus und deutet Zubieta durch das heruntergekurbelte Fenster eine Umarmung an. Dann dreht er sich um.
    »Einer von unseren Besten«, sagt Zubieta. Ich weiß nicht, ob zu mir oder zu sich selbst.
    Als ich anfahre, taucht der Dritte noch einmal kurz im Rückspiegel auf. Er hat sich auf einen Stein gesetzt und genießt die Herbstsonne: ein Reisender, der auf die nächste Zugverbindung wartet, ein Tourist, der die letzten zwei Wochen in einem 25 Quadratmeter großen Apartment verbracht hat.
    Er freut sich über die Weite des Himmels.
    Wir folgen einer Landstraße, die sich umständlich in die Falten der Sierra legt. Die Digitaluhr zeigt 11:48 Uhr.
    In einer der zahllosen Kurven, in denen wir von den Fliehkräften aus unseren Sitzen gedrückt werden, stelle ich Zubieta die Frage, die mir seit Wochen im Kopf herumgeht: Warum er überhaupt über die Grenze wollte.
    »Sich eine Woche lang in einem Ferienapartment einzuschließen, ist ja wohl nicht so sinnvoll«, sage ich. »Bist du nur wegen des Depots über die Grenze gekommen?«
    »Wäre es das nicht wert?«
    »Für Geld sein Leben aufs Spiel zu setzen?«
    »Es war ein Haufen Geld.«
    Mir fällt die Liedzeile ein: Hat die Welt sich verändert oder man selbst, der Verstand oder die Begierde?
    »Du hast Recht«, sagt er schließlich, »es war nicht wegen des Geldes.«
    Ich schaue ihm in die Augen: »Sondern?«
    »Was willst du hören?«
    »Wie wäre es mit der Wahrheit?«
    »Würdest du hören wollen, dass wir einen Anschlag vorbereiten? Einen großen, auf ein ganz hohes Tier?«
    »Nein«, behaupte ich. »So was sollte man vorher besser nicht wissen.«
    »Siehst du.«
    »Aber wenn es deswegen wäre, hättest du es mir sagen müssen.«
    »Ach«, er winkt ab. »Glaubst du, es macht vor Gericht heute noch den geringsten Unterschied, ob du jemandem bei der Flucht hilfst oder eine Bombe legst?«
    »Es geht aber nicht nur ums Gefängnis.«
    »Sondern?«
    »Um Verantwortung … darum, dass man selbst entscheiden will, was man mitträgt und was nicht.«
    »Du hättest doch nichts dagegen, wenn wir ausnahmsweise mal wieder einen richtigen Treffer landen würden, oder? Auf den König zum Beispiel.«
    Ich antworte nicht.
    »Andererseits – meinst du wirklich, ich würde deswegen hierher kommen? Um einen Anschlag vorzubereiten?«
    »Keine Ahnung.«
    »Die Organisation«, er benutzt das Wort aus der marginalen Sprache, als würde sie gar keine andere Organisation kennen, »ist immer noch groß. Wir können gar nicht alle Leute aufnehmen, die eintreten wollen. Es gibt genug, die eine Aktion vorbereiten könnten.«
    Ich frage mich, was er mit seinem Rätselspiel verfolgt. Warum er mir keine klare Antwort gibt.
    »Und was war dann der Grund?«
    »Kann ich dir nicht sagen.«
    »Du kannst nicht?«
    »Ich hab’s versprochen.«
    »Ich fahre dich«, sage ich, »geteiltes Risiko. Da hab’ ich ein Recht, zu wissen, worum’s geht.«
    »Und warum hast du dich nicht früher erkundigt?«
    Ich kneife die Augen zusammen, wir überqueren einen Pass. Überraschend fällt uns die Herbstsonne ins Gesicht. Sie sticht auf der Haut. »Ich wollte nicht, dass du denkst, ich misstraue dir.«
    Die Vegetation in dem Tal, in das wir hineinrollen, ist anders als am Atlantik. Trockener, karger. An den Hängen wachsen Ginsterbüsche und Pinien, die ihre Wurzeln in die Risse im Stein getrieben haben, nur am Rande eines Wasserlaufs stehen ein paar Pappeln. Trotzdem erinnert mich der Anblick an

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