Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
Vom Netzwerk:
Fensterrahmen geschlagen. Aber Zubieta, der langsam aussteigt und, offensichtlich erschöpft, die Tür hinter sich zuwirft, geht nicht auf die Ruine zu, sondern auf eine Egge, die einige Meter abseits steht. An der Kupplung, mit der das Gerät an die Zugmaschine gehängt wird, hat jemand eine rote Fahne befestigt, wie man sie verwendet, um Lastentransporte kenntlich zu machen. Zubieta nimmt sie in die Hand und lässt sie nachdenklich auf und ab federn.
    »Was ist?«, frage ich.
    Er reibt sich die Stirn, als plagten ihn Kopfschmerzen.
    »Ist niemand da?«
    Er beantwortet auch diese Frage nicht. Die Sonne ist eine bleiche Scheibe im Dunst.
    »Weißt du den Weg nicht mehr?«
    Er rollt das Fähnchen ein und steckt es an die rostige Egge zurück.
    »Die Fahne«, sagt er endlich, »bedeutet, dass ich nicht zu meinen Leuten kann.«
    Sofort bin ich nervös. Ein Blick in alle Richtungen. Ich entdecke niemanden.
    »Und jetzt?«
    »Ich muss zwei, drei Tage durchhalten, Dann habe ich was Neues.«
    »Was Neues?« Ich schreie. »Soll dieses idiotische Spiel endlos weitergehen?! Bist du deswegen über die Grenze gekommen?! Um von einem Ort zum nächsten zu fahren?!«
    Unsere Blicke kreuzen sich, seine Augen sind gelb. Als würde die Krankheit auf die Leber schlagen.
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Was dann?«
    »In ein paar Tagen bin ich weg«, sagt er. Es klingt trotzig. »Richtig weg. Bis dahin sollte ich hier bleiben.«
    »Du musst doch eine Alternative organisiert haben.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Keine Alternative? Wie kann man so dilettantisch sein?«
    Zubieta versucht spöttisch auszusehen, aber es misslingt ihm.
    »Was soll ich jetzt mit dir machen?«, frage ich.
    Meine Stimme überschlägt sich, hässlich vor Angst.

XIX
    In drei Tagen soll er an der Küste sein. Drei Tage, 72 Stunden.
    Ich habe den Wagen gewendet und das Radio angestellt. Auf einem Regionalsender läuft Flamenco, eine Aufnahme aus den siebziger Jahren, Camarón singt mit brüchiger Stimme. Er zerreißt jedes Wort, als wäre es ein Blatt Papier, zerlegt es in Einzelteile, in lange, krumme Streifen. Ich fahre das Fenster hinunter und lasse den Arm hinaushängen, Herbstluft streicht kühl an den Unterarmen entlang, an den Olivenhainen des Guadalquivirs bilden sich Dunstschwaden. Die Gitarre Paco de Lucías klingt rau, schroff, völlig sauber gespielt. Von einem entfernt liegenden Haus zieht der Geruch von brennenden Holzscheiten herüber.
    Wir rollen weiter durch das andalusische Hinterland, auf der Suche nach einer Unterkunft, wo ich Zubieta in ein Bett legen kann. Ausgerechnet hier jedoch präsentiert sich Spanien als touristisch unerschlossener Flecken Erde. Wir kommen an Geräteschuppen vorbei, Düngemittelbetrieben, aufgelassenen Höfen, einsamen Kappellen, maurischen Dörfern, doch nirgends ist ein Hinweis auf eine Ferienwohnung zu entdecken, ein Apartment, das man betreten kann, ohne sich an einem Portier vorbeischieben zu müssen, einem Bungalow, in dem man uns in Ruhe lässt. Der Oberlauf des Guadalquivir bleibt, so scheint es, von den Touristenströmen an der Küste unberührt.
    Während ich vor jedem Schild am Straßenrand abbremse, vom Gas gehe, abbremse, um nach einem Hinweis auf eine Bleibe zu suchen, wird Zubieta vom nächsten Fieberschub erfasst. Schlaff liegt er auf dem heruntergedrehten Sitz, wischt sich nur gelegentlich den Schweiß von den Schläfen, presst die Lippen zusammen. Es ist absehbar, dass er nicht mehr lang durchhalten wird.
    Fast eine Stunde lang irren wir herum, ziellos immer weiter den Fluss hinauf.
    Die Nacht fällt schnell. Jede Minute schneiden sich die Scheinwerferkegel tiefer in die Dämmerung, immer klarer grenzt sich Licht von Dunkelheit ab, der Straßenverlauf ist immer schlechter zu erkennen. Ich kneife die Augen zusammen. Als Zubieta anfängt, zu keuchen, sage ich, dass ich ihn in ein Krankenhaus fahren werde. Weil er behandelt werden muss.
    »Nicht ins Krankenhaus«, antwortet er angestrengt. »Wenn sie einen so in die Finger kriegen, lassen sie einen krepieren.«
    Das Gefühl, als würde der Kopf platzen. Ich spüre einen Knoten im Nacken, der Schmerz zieht über die Halswirbel bis hinein in die Stirn.
    »Was dann?«, frage ich gereizt.
    »Wir könnten im Auto schlafen …«, schlägt Zubieta vor.
    »Das ist zu unsicher. Außerdem brauchst du ein richtiges Bett und was Heißes zu trinken.«
    »Nicht ins Krankenhaus.«
    »Dann nehme ich jetzt das nächste Hotel. Egal, welches.« Meine Finger krallen sich um das

Weitere Kostenlose Bücher