Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
Vom Netzwerk:
Lenkrad. »Egal wo.«
    Am nächsten Ortseingang treffen wir tatsächlich auf eine Pension, die klassische Fernfahrer-Absteige – genau die Art Unterkunft, die ich in der vergangenen Stunde vermieden habe. Jeder Neuankömmling wird von Gästen und Portier skeptisch gemustert. Ich parke den Wagen nur wenige Meter vom Eingang entfernt: Auf dem Parkplatz ist kein anderes Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen zu sehen. Ich bin mir nicht sicher, ob das als gutes oder schlechtes Zeichen zu interpretieren ist.
    Ich steige aus, ziehe den Pass aus der Tasche, halte ihn mir vor die Brust. Bei einem Deutschen, so denke ich, sollten sie nicht an die Bande denken.
    Vor der Eingangstür atme ich noch einmal tief durch.
    »Haben Sie ein Doppelzimmer?«, frage ich, als ich an der Rezeption stehe, um einen unauffälligen Tonfall bemüht.
    Der Mann hinter dem Tresen – fünfzig Jahre alt, gestreiftes, frisch gewaschenes Kragenhemd, grauer Oberlippenbart – mustert mich eindringlich.
    »Wir sind voll.«
    »Es können auch zwei Einzelzimmer sein.«
    »Zwei Personen?« Der Portier lehnt sich vor, um durch die Scheibe nach draußen zu blicken. Man sieht den Wagen durch die Fenster an der Vorderfront.
    »Wir sind aus Deutschland.« Ich fühle mich zu einer Erklärung bemüßigt. »Wir sind auf dem Weg in den Urlaub.«
    »Beide aus Deutschland?«
    Ich verstehe nicht, warum der Portier Misstrauen mir gegenüber hegt. Ob ich etwas falsch gemacht habe, in dieser Pension nur Fernfahrer absteigen. Auf jeden Fall gibt er sich keine Mühe, seine Abneigung zu verbergen.
    »Wir fragen hier immer ein bisschen genauer nach«, sagt er. »Hier kommen viele Leute vorbei, bei denen man nicht so genau weiß.«
    »Bei denen man nicht so genau weiß?«
    »Leuten, denen man nicht trauen kann.«
    »Wissen Sie«, ich versuche, harmlos zu klingen, harmlos, fast jämmerlich, »mein Freund ist krank. Nichts Ernstes, aber er muss sich schlafen legen. Wir brauchen einfach schnell ein Zimmer.«
    »Wir hätten noch eines mit einem Feldbett frei.«
    »Ja, gut.«
    »Eure Personalausweise.« Der Portier zückt die Registrierscheine.
    »Ich hab’ nur meinen hier«, erwidere ich und halte dem Mann das Dokument hin.
    »Und der andere?«
    »Er ist krank«, sage ich gereizt.
    »Er muss sich trotzdem ausweisen.«
    Ich werde lauter: »Ich weiß nicht, wo er seinen Ausweis hat. Er schläft! Das kann man doch auch später erledigen, oder?«
    »Hier bei uns muss man sich vorher ausweisen. Das ist so üblich.«
    »Üblich«, sage ich und nehme mir meinen Pass wieder, der auf dem Tresen liegt. »Sehr gastfreundlich, wirklich.« Ich schreie – schon allein, damit er nicht glaubt, ich hätte ein schlechtes Gewissen. »Wenn Sie alle Touristen so behandeln, werden Sie bald allein sein.«
    »Das ist das Gesetz.«
    »Ich bin ein Gast, kein Verbrecher. Und ich habe einen Kranken zu versorgen.«
    Der Hotelier antwortet nicht, er schaut mich nur an. Registriert, wie ich um Sympathie heischend die Fernfahrer anblicke, die am Tresen stehen, Cognac trinken und Zigarre rauchen, als wären sie geklont, als würden alle spanischen Fernfahrer zu jeder Tages- und Nachtzeit Cognac trinken und Zigarre rauchen. Ich stoße die Tür auf und trete schnaufend in die Nacht hinaus. Eine Grille zirpt nicht weit entfernt. Ich bin mir sicher, dass der Portier mich selbst hier draußen durchs Fenster im Auge behält.
    Nur nicht zu schnell zurücksetzen, sage ich mir leise vor, als ich den Wagen starte, bloß nicht den Motor abwürgen. Nichts tun, was den Verdacht des Mannes erhärten könnte.
    Zubieta ächzt.
    Ist das alles nur meine Paranoia oder sieht man mir an, dass ich etwas zu verheimlichen habe? Gibt es objektiv etwas, das uns verdächtig macht? Sind sie uns bereits auf den Fersen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns schnappen?
    »Wir fahren noch ein bisschen«, sage ich nervös. »Hier war alles voll.«
    Der Freund antwortet nicht.
    Ich gebe Gas und blicke, während wir Geschwindigkeit gewinnen, in den Rückspiegel, um zu sehen, ob der Portier herausgekommen ist, uns vielleicht schon die Polizei auf den Hals gehetzt hat. Aber die Straße bleibt leer.
    »Zubieta«, sage ich kraftlos, »schlaf bitte nicht ein … was soll ich jetzt tun?«
    Und noch eine Stunde planlos durch die Nacht. Die entgegenkommenden LKW blenden mich mit zu hoch stehenden Scheinwerfern, der Renault scheint immer lauter zu dröhnen, es ist kalt. Mit der rechten Hand krame ich die Jacke aus der Reisetasche, die auf dem

Weitere Kostenlose Bücher