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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Bauchmuskeln sind.
    Ich zucke, Münzen fallen von der Hand des Tankwarts zu Boden.
    Der Fremde greift an der Stelle, an der man eine Pistole verstecken könnte, an der er vielleicht eine Pistole versteckt hat, vorbei in seine Hosentasche und zieht ein Tuch heraus, das er mit einem lässigen Schlenker aus dem Handgelenk aufschlägt. Er nimmt seine Sonnenbrille ab und beginnt sie mit zusammengekniffenen Augen, die plötzliche Helligkeit blendet ihn, pedantisch zu putzen.
    »Tag«, sagt der Tankwart, als die Männer, die wie Streife fahrende Zivilbeamte aussehen, an uns vorübergehen. »Alles klar?«
    »Bestens«, antworten die zwei, die Streife fahrende Zivilbeamte sind. »Und selbst?«
    Die Männer schreiten auf das Restaurant zu, drücken die Tür auf, verschwinden im Gebäude. Ich brauche einen Moment, bis ich mich nach dem Geld bücken und in den Wagen steigen kann.
    Als ich anfahre, öffnet Zubieta die Augen. Ich drücke ihm eine Wasserflasche auf den Mund und erzähle, dass wir getankt haben. Die Männer erwähne ich nicht. Der Freund nimmt einen langen Schluck, er wirkt wacher als vor einer Stunde, für einen Moment habe ich die Hoffnung, dass er das Schlimmste hinter sich haben könnte.
    »Warum …«, setzt er an, als ich hochschalte, um einen LKW zu überholen, »sprichst du so wenig über deine Tochter?«
     
    Ich antworte spät. Erst nachdem wir die Autobahn erreicht haben. Auf der vierspurigen Straße geht es spürbar schneller voran. JAÉN 162 KILOMETER steht auf einem Schild am Straßenrand.
    »Ich habe nicht so ein enges Verhältnis zu Hanna. Ich sehe sie nur am Wochenende.«
    »Was macht ihr dann?«
    »Spielen, spazieren gehen.«
    »Und worüber redet ihr?«
    »Worüber sollen wir reden? Sie ist vier.«
    »Man kann auch mit Kindern reden. Gerade auch mit Kindern.«
    »Was willst du eigentlich von mir?«
    »Das muss dir doch Kraft geben. Ein Kind, das gibt einem immer Kraft.«
    »Diese Familienideologie«, sage ich gereizt, »das nervt. Mit Kindern ist es wie mit anderen Menschen auch. Man hat sie um sich, manchmal findet man sie toll, manchmal nerven sie einen.«
    »Das hat nichts mit Ideologie zu tun«, sagt Zubieta, »sondern mit Nähe. Wenn du das nicht spüren würdest, wäre dir Freundschaft egal.«
    Ich blicke ihn an, ich glaube verbittert.
    »Vielleicht ist mir Freundschaft egal.«
    »Warum fährst du dann seit zwanzig Jahren zu Montserrats Familie?«
    »Weil mich die Zeit auf dem Bauernhof entspannt.«
    »Und dass du mich jetzt fährst, entspannt dich auch?«
    »Nein. Aber du hast mich auch mal gefahren.«
    »Das ist albern«, sagt Zubieta. »Deswegen riskiert man nicht, ins Gefängnis zu gehen.«
    »Nein?«
    »Nein.«
    »Ich wünschte mir, es wäre nicht so.«
    Ich mache das Radio an und suche nach einem Musiksender.
    »Das war das Beste an den letzten zwanzig Jahren«, schiebt Zubieta nach einer Weile hinterher. »Dass ich gemerkt habe, wie viel einem die Leute bedeuten. Auf wie viele Freunde man sich verlassen kann.«
    »Ja, die Extremerfahrungen«, sage ich spöttisch.
    »Und die Kinder«, fügt er hinzu.
    Ich verstehe nicht, worauf er hinaus will, aber hake auch nicht weiter nach. Auf RNE 3 läuft Popmusik, sehr langweilig.
     
    Zubieta geht es besser.
    Er erzählt, dass seine Krankheit wie Malaria von Insekten übertragen wird, sich in Organen einnisten und trotz erfolgreicher Behandlung unerwartet wieder ausbrechen kann, dass die Fieberschübe in Wellen kommen und der akute Anfall nach einigen Tagen ausgestanden ist. Meistens, sagt er, reiche es aus, sich zu schonen, die Krankheit sei zwar unangenehm und Kräfte zehrend, aber nicht gefährlich. »In Brasilien haben sie mir heiße Limonen mit frischem Zuckerrohrsirup gegeben. Wie bei einer einfachen Grippe.«
    Und ich frage mich, wo ich jetzt Limonen und Zuckerrohrsirup auftreiben soll.
    Wir verlassen die Hochebene, das Tal des Guadalquivir erstreckt sich vor uns. Rotstichiges Hügelland, Olivenhaine, gekalkte, leuchtend weiße Dörfer – Relikte aus der Zeit vor der Conquista, dem Dschihad des Christentums. Am Rand einer Ortschaft kaufe ich Brot, Gemüse und ein Fieber senkendes Mittel für Zubieta, an einem Bewässerungskanal etwas außerhalb des Dorfs suche ich uns eine Stelle für das Abendessen. Um Zuversichtlichkeit bemüht, ganz der zufriedene Urlauber, der nach anstrengender Fahrt fast an seinem Reiseziel angelangt ist und sich zu erholen beginnt, breite ich die Autodecke aus und stoße auf Tomaten- und Fruchtsaftflecken, die

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