Der bewaffnete Freund
steige ich aus und postiere mich zwischen Tankwart und Wagen. Ich habe nie begriffen, warum sich an spanischen Tankstellen bis heute keine Selbstbedienung durchgesetzt hat. An den Löhnen kann es nicht liegen, sie sind kaum niedriger als in Deutschland. Offensichtlich, denke ich, ist es die Bequemlichkeit der Leute, die jetzt für uns zum unnötigen Risiko wird, zur unkalkulierbaren Gefahr. Ich baue mich also vor dem auf uns zu tretenden Angestellten auf, als wollte ich die Benzinanzeige an der Zapfsäule kontrollieren, drücke ihm den Wagenschlüssel in die Hand und krame, kaum dass er angefangen hat, den Wagen zu betanken, Geld aus der Hosentasche, um keine Zeit zu verlieren und so schnell wie möglich weiterfahren zu können.
»Viel los heute?«, frage ich – in erster Linie, um mich selbst zu beruhigen.
»Normaler Wochentag«, antwortet er.
»Der Verkehr ist die Hölle. Die LKW blockieren alles.«
»Das legt sich … noch dreißig Kilometer, dann seid ihr auf der Autobahn. Wollt ihr noch weit?«
Zumindest in diesem Punkt hat Salvatore Recht: In diesem Land siezt sich abgesehen von ein paar Rentnern wirklich niemand.
»Nach Süden«, ich lächele, es kann kaum ein unverfänglicheres Reiseziel geben.
»Richtung Meer?« Der Tankwart hat das deutsche Kennzeichen entdeckt.
»Ja … auf der Suche nach einem sonnigen Herbst.«
Ich lasse den Blick über die anliegenden Felder schweifen, erleichtert. Die Äcker mögen eintönig aussehen, ohne Grün und Erhebung, aber es ist ein ruhiges Land, friedlich, nicht weit von hier erstrecken sich die Strände des Mittelmeers, die Getreidekammern sind gefüllt, die Bauern verbringen die kommenden Monate zu Hause oder mit Freunden in der Kneipe im nächstgelegenen Dorf. Die Anzeige an der Zapfsäule dreht sich langsamer, der Tank ist fast voll. Ich habe es geschafft, denke ich.
Das Fahrzeug, das in diesem Moment auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Stehen kommt, den blauen Peugeot, ein sportliches Modell, nehme ich zunächst nur im Augenwinkel wahr.
Die zwei Männer, die aussteigen, tragen Sportschuhe und große, verspiegelte Sonnenbrillen, die das Gesicht halb verdecken. Zielstrebig werfen sie die Autotüren zu, ein Klacken, es ist ungewöhnlich laut, und kommen auf uns zu.
Ich beginne die Situation zu interpretieren. An dieser Stelle der Straße befinden sich direkt gegenüber zwei Raststätten. Wozu also überqueren die zwei Männer die Landstraße? Zwei Männer, die nicht aussehen, als wären sie gewöhnliche Reisende? Mir schießt durch den Kopf, dass man den Dritten, den Mann namens Pablo, verhaftet haben könnte. Dass jemand gesehen hat, wie er vor einigen Stunden an einer kleinen Bahnstation aus unserem Wagen stieg, einem Renault mit deutschen Kennzeichen; man vielleicht schon nach uns fahndet.
Der Impuls, ins Auto zu springen und loszufahren.
Der Angestellte zieht den Zapfhahn aus dem Tank und nennt mir einen Betrag. Ich halte ihm Geldscheine hin, ohne meinen Blick von den Männern abzuwenden.
Und wie in Zeitlupe schieben sich die Dinge ineinander:
Zubieta dreht sich im Schlaf und wendet sein Gesicht den Fremden zu.
Die Männer erreichen den Mittelstreifen. In ihren Brillengläsern spiegelt sich grell das Sonnenlicht. Der Ausdruck in ihren Gesichtern ist nicht genau zu bestimmen. Ich versuche an den Fremden vorbei in die Ferne zu schauen, als würde ich die Landschaft betrachten.
Dieses fruchtbare Ödland, diese Knoblauchkammer.
Einer der Männer mustert erst mich, dann den Wagen und bückt sich schließlich leicht, als wollte er durch die Windschutzscheibe blicken und Zubieta unter die Lupe nehmen.
Man gefriert, denke ich, wie der Mann in Sarrionandias Roman. Das Problem ist nur: die gefrorene, zu Eis gewordene Person bin in diesem Fall ich.
Der Tankwart gibt mir das Wechselgeld zurück.
Die Männer machen einen weiteren, federnden Schritt auf uns zu.
Hinter ihnen gleitet ein Auto durchs Blickfeld, es surrt, zischt horizontal durch das Bild. Weiter entfernt hört man einen LKW hupen.
Der Mann, der durch die Windschutzscheibe geblickt hat, fährt mit der Hand den Hosenbund entlang. Dorthin, wo man eine Waffe verstecken könnte.
Ich bin nicht in der Lage, das Wechselgeld entgegenzunehmen.
Zubieta räkelt sich auf dem Beifahrersitz. Ohne zu begreifen, was um ihn herum geschieht, wacht er allmählich auf.
Die Hand des Fremden streicht über die Lendenwirbel und schiebt dabei das Hemd ein Stück hinauf, man sieht, wie trainiert seine
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