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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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auf dem ich die Rechnung für sie geschrieben hatte, und pendelte auf dem Drehstuhl von einer Seite zur anderen, als lauschte ich zwei Gesprächspartnern.
    Nur war es so, dass sich die beiden nicht vor mir, sondern in meinem Kopf niedergelassen hatten.
    Elmar, Elmar, sagte der Erste, um ein Haar hättest du es mit ihr getrieben, hier an diesem Schreibtisch, hier auf diesem Stuhl.
    Und wenn schon, sagte der Zweite, bist doch sowieso nur ein kleiner Schnüffler mit ziemlich ruiniertem Ruf. Schade, dass es nicht passiert ist, wie hieß es doch früher in der Schule: Eins, zwei, drei – Chance vorbei!
    Sei froh, sagte der Erste, du hättest im Hinblick auf die Berufsehre deine Unschuld verloren und deiner Besucherin hätte es hinterher ganz sicher Leid getan.
    Quatsch! Sie wollte es doch, hatte es ja förmlich darauf angelegt. Sie war in der richtigen Stimmung, hast du das nicht an ihrer flirrigen Stimme gemerkt, an ihren Bewegungen? Es wäre ein krönender Abschluss gewesen.
    Nein, es hätte alles verdorben.
    Was denn zum Beispiel?
    Was? Na, sie mag dich, du blöder, brünstiger, mit Blindheit geschlagener Bock!
    Ach wo! Allenfalls will sie deine Dienste; sie ist berechnend.
    Nein, sie liebt dich.
    Noch schlimmer.
    Schluss. Hört auf, beide! Alles Spekulationen. Jetzt sah ich ganz klar, wie es wirklich abgelaufen war.
    Ebenso zart wie bestimmt hatte Marie Laflör meine Hand, die auf ihrer Hüfte ruhte, wieder zurück zur Schreibmaschine geführt. Ich hatte die Rechnung zu Ende geschrieben und sie war zur Tür gegangen. Als ich sie zum Abschied auf die Wange küsste, hatte sie hörbar Luft geholt. Eine übertriebene und, wie ich glaubte, ironisch gemeinte Reaktion, bis ich dann in ihren Augen sah, dass es ihr ernst war.
    »Also, bis dann«, hatte sie gesagt. »Gute Reise!«
    »Danke.«
    Wie lange war das her? Keine Ahnung. Es war spät und ich hatte Hunger.
    Ich trank eine halbe Flasche Milch und guckte nach, ob es im Kühlschrank noch etwas zu essen gab. Ein Glas mit Rollmöpsen, dazu aufgewärmtes Brot und dick Butter drauf, das musste genügen.
    Morgen würde ich in einem Strandrestaurant auf Ibiza speisen, ›borrida de rajada‹, Rochenragout mit Mandelsoße, sollte eine ibizenkische Spezialität sein.
    17.
    Ich nahm den LTU-Flug 152.
    Die Leute in der Warteschlange vor dem
    Abfertigungsschalter mit der Laufschrift Ibiza 7.20 Uhr sahen etwas anders aus als jene vor dem Mallorca-Schalter.
    Klamotten, die der neuesten Mode entsprachen, Basttasche vom letzten Aufenthalt, Bräune, die tatsächlich von der Mittelmeersonne stammen konnte und nicht aus einem Bräunungsstudio.
    Ein Mann sprach mich an, während er auf mein schmales Gepäck deutete: »Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.
    Könnten Sie meinen zweiten Koffer einchecken? Sonst müsste ich Übergewicht zahlen.«
    Ich sah mir den Mann genauer an. Er selbst schleppte schon eine Menge Übergewicht mit sich herum, ich schätzte ihn auf knapp hundert Kilo, rosiges Gesicht und dünne gelblich weiße Haare, die er sich von einem Ohr zum anderen über die Platte gezirkelt hatte.
    »Sprengstoff oder Drogen?«, fragte ich.
    Er verzog, nur wenig amüsiert, den Mund. »Dinkelbrot und Harzer Roller, Bratheringe und Heringsstipp.«
    »Eine neue Sommer-Diät?«
    Sein Lächeln wurde breiter. »Ich selber steh mehr auf ‘n anständigen Braten. Nee, nee, das ist für meine Nachbarn, Residenten, die den Sommer über die Insel nicht verlassen.«
    Ich schnappte mir seinen Koffer, setzte ihn vor meinen Füßen ab und schob ihn in den nächsten Minuten beim Vorrücken weiter. Dabei erfuhr ich, dass der schwergewichtige Mann Bodo Quast hieß, pensionierter Chemiker war und nun für vier Wochen im Haus eines Bekannten wohnen würde. »Außer den Fressalien sind auch noch Chemikalien in dem Koffer«, gestand er mir, als unser Gepäck bereits abgefertigt war. »Für den Swimmingpool von Don Jaime, das ist der Hausherr; die Reinigungschemikalien sind in Spanien schweineteuer und ich kriege sie fast umsonst aus alten Quellen.«
    Alte Quellen sind immer gut, dachte ich, neue oft auch ergiebig. Ich fragte den Dicken, der dann in der Maschine neben mir saß, wie gut er die Insel kannte. Nun hoben sich seine Mundwinkel vollends in die Höhe und dort blieben sie für die nächste halbe Stunde. Ich glaube, mit nichts anderem, außer vielleicht Dinkelbrot und Heringsstipp, kann man Ibiza-Kennern so viel Freude machen als mit der Frage nach ihren früheren Erfahrungen.
    »Das erste Mal kam

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