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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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vom Amtsgericht als Haftrichter eingeteilt werden, also vier Wochen…«
    »Und deshalb meinen Sie, wir sollten vorher schon mal…«
    »Ja, vorher schon mal essen, meine ich.«
    »Worauf haben Sie denn Hunger?«
    »Himmel und Erde«, sagte ich spontan. Seit meiner Kindheit hatte ich das Gericht nicht mehr gegessen, seltsam, dass es mir jetzt eingefallen war.
    Auf dem Weg zu meinem Büro hielt ich beim Hähnchen King in Duissern. Die gebratenen Hähnchen waren in diesem Imbiss wirklich gut und auch die Currywurst, die hier nicht in einer Häckselmaschine zerschnippelt, sondern mit einer Schere geschnitten wurde. Es kam eben auf die Kleinigkeiten an. Und die wurden von Duisburgs Feinschmeckern durchaus
    gewürdigt. Kurz vor Beginn des Abendprogramms im
    Fernsehen standen die Leute beim Hähnchen King Schlange, jetzt war ich der einzige Kunde.
    »Currywurst, extrascharf, mit Pommes.«
    »Für zum hier Essen?«
    »Ja, bitte.«
    Pommes frites, selbst die besten, schmeckten fade, wenn sie erst mal eingepackt waren. Ich trug den Porzellanteller, den man beim ›hier Essen‹ bekam, zu dem kleinen Tresen am Fenster, blickte an den Kakteen vorbei auf die Straße und ließ mir ein paar Dinge durch den Kopf gehen.
    Ist die Currywurst nun ein Erzeugnis des Ruhrgebiets oder eine Berliner Erfindung? Wo waren der kleine Junge Sebastian und der Hund Mecki heute gewesen? Und schließlich fragte ich mich noch: Warum erhielten andere Ermittler die dicken Aufträge, während man mich mit toten Tauben und einem Arme-Leute-Essen aus Kartoffeln, Äpfeln und Blutwurst abspeiste?
    14.
    Irgendetwas konnte mit meiner Gesundheit nicht stimmen. Vor ein paar Tagen, als Finanzsachbearbeiter Rico Skasa den Namen Judith Holtei erwähnte, hatte ich Stiche in der Brust gespürt, jetzt klopfte mein Herz ziemlich laut und ich wusste nicht warum.
    Mein letzter Arztbesuch lag schon eine Weile zurück. Ich hatte ihn nicht in guter Erinnerung. Blut und Urin waren untersucht worden, Leber und Nieren abgetastet, in ein Röhrchen musste ich pusten, das Übliche. ›Sie sollten mit dem Trinken aufhören, Herr Mogge.‹ – ›Was, kein Wasser mehr, Herr Doktor?‹ – ›Haha, Alkohol meine ich, Herr Mogge.‹ –
    ›Aber seit vielen Monaten schon nicht mehr, Herr Doktor, nicht einmal Pralinen von Mon Cheri mit der in Weinbrand gebadeten Piemontkirsche, die ich früher gern gegessen habe, nicht einmal alkoholfreies Bier, weil das noch bis zu 0,5 %
    Restalkohol enthält. Null!‹ – Dann wären es eben Altlasten, meinte der Arzt, maß meinen Blutdruck, schickte mich auf das EKG-Fahrrad und sagte zum Schluss, mein Herz sei völlig in Ordnung.
    Komisch, warum dann diese Stiche?
    Ich stellte mich vor den Spiegel, betrachtete die Geheimratsecken, die sich mit rasender Geschwindigkeit dem Hinterkopf näherten, und die Nase, die mir heute noch länger vorkam; ich rieb mir das stoppelige Kinn und fühlte mich ziemlich hässlich. Es war einer dieser Momente, wo mir ein Hund fehlte, der mir seine Freundschaft zuwedelte.
    Womöglich würden auch ein paar Tage Sonne helfen.
    Ich wählte die Nummer eines Reisebüros und buchte einen Flug nach Ibiza. Dann rief ich meine Ex an und erfuhr, meiner Stimme fehle die Dynamik.
    Mein nächster Anruf galt Tom Becker.
    »Ich wollte Sie gerade anrufen«, sagte er. »Unser spezieller Nörgler hat sich mit einem neuen Leserbrief gemeldet, in dem er fragt, was eigentlich aus dem Polizisten Elmar Mogge geworden ist, der mit seiner Dienstwaffe einen harmlosen Bürger erschossen hat. Ja, Herr Mogge, was war denn da?« Er stieß ein kollerndes Lachen aus.
    »Darüber sprechen wir ein andermal«, sagte ich und hängte ein.
    Die Lust am Telefonieren war mir gründlich vergangen. Ich war überzeugt, dass selbst meine Mutter, sonst immer mit mir als Sohn zufrieden, das Gespräch heute mit der Bemerkung eröffnen würde, dass ich ihr bei der Geburt mutwillig Schmerzen bereitet hätte.
    Ich schaltete den Fernseher ein. Im ersten Kanal sorgte sich ein junger Mann in Samtweste um die Rente, im zweiten machte ein Pfarrer Werbung für ein von ihm verfasstes Buch, im dritten beklagte sich ein Mann, dass er trotz pinkfarbener Perücke in der Straßenbahn kein Aufsehen mehr erregte.
    Probleme, wo man nur hinschaute.
    Ich wählte ein Sportprogramm, um endlich mal von Herzen lachende, zufriedene Menschen zu sehen, und hörte: »Ja, nee, ich sag es mal so, als mein Sohn geboren wurde, da hab ich mich schon gefreut, aber dieses Tor eben, so aus spitzem

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