Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
zusammenhalten konnten. Er selbst konnte anscheinend den Mund nicht halten, er machte eine große Geste hin zu den glühenden Holzresten und rief ganz international: »Trance!
    Dance!«
    Ich merkte, wie nicht nur mein Zentrum wegzugleiten drohte, sondern auch meine Aufmerksamkeit nachließ. Es war eine der üblichen esoterischen Veranstaltungen, wie sie bei Vollmond an etlichen Orten abgehalten wurden, bei den Externsteinen im Teutoburger Wald, bei den Dolmen in Jütland oder in der Lüneburger Heide.
    Mittlerweile war der Mond aufgegangen, gelb und dick wie ein Kürbis; zugegeben, das war beeindruckend und hatte auch etwas Mystisches in dieser archaischen Landschaft. Nur war ich nicht deshalb nach Formentera gekommen. Ich sah mir die Gesichter der Zuschauer und die der Mitmacher an, erkannte aber nur das Mädchen von der Fähre und ein, zwei Typen aus der Fonda Pepe. Wo war Frau Felicitas Hagen-Anglassa, wo war Dora? Wo waren die Mitglieder des Instituts Ibosim aus San Juan, die laut Aussage von Kapuste einen Betriebsausflug nach Formentera gemacht hatten?
    »Glauben Sie nicht, dass der Alte ein bisschen aus der Spur ist?« Cetin machte eine schraubende Bewegung an seiner Stirn. »Ich meine von wegen totes neugeborenes Baby im Salzsee und so.«
    »Bis jetzt hat alles, was Kapuste erzählt hat, gestimmt.«
    Alles? Auch was den Mord an Kristine betraf? Vor ein paar Stunden hatte ich den Maler noch einmal gefragt, ob er sich da ganz sicher sei, dass Kristine ermordet wurde. »So sicher«, hatte er geantwortet, »dass ich jedenfalls aus dem Spiel raus bin. Nee, nee, Schlömm, die Sache auf Formentera müsst ihr ohne mich über die Bühne bringen.« – »Warum?« – »Weil ich hier auf dieser schönen Insel noch ein paar Jährchen leben will, leben und malen«, hatte er betont, »und ab und zu einen Joint durchziehen – auch wenn Ibiza bei den Phöniziern als der ideale Platz zum Sterben galt, mir ist nicht danach.«
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Cetin.
    »Doch, doch«, wich ich aus. Ich konnte dem Jungen nicht gut sagen, was mir in diesem Augenblick wieder mal durch den Kopf ging, nämlich der Gedanke an Kristines Tod und die Möglichkeit, dass sie womöglich sogar deswegen ermordet worden war, weil ich in ein Wespennest gestochen hatte. Nein, das ging ihn nichts an, auch nicht, dass ich Angst hatte. Wie würde ich, Elmar Schlömm Mogge, privater Ermittler, in seinen Augen dastehen? Auf keinen Fall wie ein Mann mit Mumm.
    »Mir geht nur dieser Ringelpiez auf die Nerven.«
    »Ich find’s gar nicht so schlecht.« Cetin ging zu dem Mädchen vom Boot hinüber, kam aber schnell zurück. »Die hat nur Augen für den Traumtänzer.«
    Der Traumtänzer forderte sein Publikum auf, sich an den Händen zu fassen, damit die Energie besser fließe. Warum nicht, wenn es hilft, das Universum zu retten?
    Doch nicht mit mir! Vielleicht fehlte mir die spirituelle Einstellung. Am besten, ich stand auf.
    Der Mond stand mittlerweile ziemlich hoch und glänzte jetzt wie ein blank geputztes Silbertablett. Auf der Straße zum Leuchtturm näherte sich eine Kette von Lichtern. Der Wind brachte den Klang von Motorrädern herüber. Harleys. Seit meiner Begegnung mit den Rockern war mir das Geräusch vertraut.
    Ich guckte schon nach einem Plätzchen außerhalb des Lichtscheins, das Feuer loderte inzwischen wieder. Die Glutläufer hatten verklärte Blicke und wahrscheinlich auch die eine oder andere Brandblase. Jemand klampfte auf einer Gitarre und ich überlegte, wie sich die Rocker in dieses friedliche Bild einfügen würden.
    Doch die kamen nicht.
    Sie würden auch nicht kommen. Von einer Sekunde zur anderen wusste ich: Wir waren am falschen Platz.
    Ich stieß Cetin an. »Kommen Sie!«
    Wir gingen den Pfad entlang der Küste zurück. Tief unter uns, wohl fünfzig, sechzig Meter oder mehr, donnerte die Brandung gegen die Felsen. Dann waren wir nahe bei den parkenden Wagen, etwas entfernt davon reflektierte das Mondlicht auf den Chromteilen der Harleys. Ich wollte schon auf unseren Golf zugehen, als sich aus dem Schlagschatten der Motorräder eine Gestalt löste.
    Zielstrebig ging sie auf die Küste westlich vom Leuchtturm zu – und war ganz plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.
    »Hey, Mann, das glaube ich nicht«, sagte Cetin. »Ich habe doch nicht getrunken.«
    »Ein magischer Platz, passen Sie auf!«
    Wir duckten uns hinter der Mauer, die den Leuchtturm umgab. Wieder näherte sich eine Gestalt, diesmal von einem der parkenden Wagen.

Weitere Kostenlose Bücher