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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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Diese Fertigkeit hatte ich mir beim Zirkus angeeignet. Das Jonglieren mit Keulen ist keine Kunst, das sieht man heutzutage in jeder Fußgängerzone, mit brennenden Fackeln und am Rande eines Abgrunds ist es schon um einiges schwieriger. Doch es klappte und die Zuschauer sahen meine Darbietung wohl als weiteren Punkt im Programm an.
    Ehe sie ihren Irrtum begriffen hatten, war ich mit Dora im Schlepp zum hinteren Teil der Höhle gelaufen. Terry stellte sich mir in den Weg. Als er das Kamerastativ zum Schlag hob, drückte ich ihm die Fackel gegen den Bauch. Eine
    Instinkthandlung. Dass er den Ratten gern einheizte, fiel mir erst ein, als er aufschrie wie ein Tier. Es zischte und roch streng, perverse Typen wie Terry sollten eben keine Hemden aus Kunstseide tragen.
    »Que pasa? – Was ist los?«, rief jemand. Ich erkannte den Mann, der mich auf Ibiza beschattet hatte.
    Rufe auch auf Französisch und Englisch.
    »Aus dem Weg da! Zur Seite!«, schrie ich auf Deutsch.
    Clowns haben keine Verständigungsprobleme, ein Mann mit brennender Pechfackel auch nicht.
    Die Leute machten Platz. Wir mussten noch an ein paar aufgeschreckten Figuren vorbei, dann waren wir am Höhleneingang.
    Ich riss Dora das Tuch von den Augen, schrie »Rauf da!«, musste sie jedoch regelrecht hochschieben.
    Wie zuvor mit ihm abgesprochen, stand Cetin oben am Loch, zog sie hoch und half dann auch mir beim Herausklettern.
    Eine Hand griff nach meinen Beinen, doch da war ich schon oben. Ich drehte mich um und blickte in Gerrys wutentbrannte Augen. Jetzt hatte ich Zeit, und weil ich Zeit hatte, fiel mir auch etwas ein, ich fragte Gerry, ob er noch immer nach einem guten Aufhänger für eine Story suche; und genau wie er es bei dem Rattenquiz auf seiner Finca gemacht hatte, gab ich ihm gleich die Antwort, ohne zu stottern, ich sagte: »Als ich Gerry zum zweiten Mal zu Gesicht bekam, schlug ich ihm die Nase platt.«
    Und das tat ich dann auch.
    Beim letzten Wort war meine Faust, verstärkt mit dem Metallarmband meiner Uhr, schon unterwegs; sie traf ihn voll am Nasenbein. Ein guter Schlag, Blut und Rotz spritzten mir ins Gesicht.
    Cetin war mit Dora schon auf dem Weg zu unserem Wagen.
    Einen Mann, der ihn aufhalten wollte, räumte er mit einem elegant ausgeführten Fußtritt zur Seite.
    Ich rannte über die vom Mondlicht erhellte Felsplatte. Ein Schuss fiel, aber da saß ich schon auf der Rückbank neben Dora, und Cetin hatte bereits den ersten Gang eingelegt.
    56.
    Wir hatten einen guten Vorsprung. Auf halber Strecke nach San Francisco sah ich hinter uns Scheinwerferlicht auftauchen.
    Wahrscheinlich die Harleys.
    »Ich hätte ihnen die Reifen zerstechen sollen«, meinte Cetin.
    Er reichte mir sein Handy, ich tippte die Nummer des Wassertaxibesitzers ein, kam durch und bat den Kapitän, sein Boot klarzumachen.
    Cetin nahm den Kreisverkehr in San Francisco mit
    quietschenden Reifen. Ausfahrt Richtung La Sabina. Dora wurde eng an mich gepresst. »Wie schön!«, sagte sie mit verklärtem Blick, meinte aber nicht unseren körperlichen Kontakt, sondern die Hafenlichter.
    Wie mit dem Verleiher abgesprochen, ließen wir den Wagen auf dem Parkplatz vor der Estacion Maritima stehen und rannten zum Boot. Auf der anderen Seite des Hafenbeckens tauchten Scheinwerfer auf, Motorräder und Autos, die Harleys vorneweg. Wir sprangen an Bord.
    »Caso de emergencia! – Notfall!«, rief ich dem Kapitän zu, einem schmalen Mann mit dicker Zigarre.
    »Si, ya lo veo«, brummte er nach einem Blick auf Doras blutverschmiertes Kleid.
    Wir lösten die Leinen vom Poller, er schob den Gashebel nach vorn, die Schiffsschraube wirbelte das Wasser auf.
    Unsere Verfolger umfuhren die Hafenschranke und bretterten mit ihren Maschinen über die Mole direkt bis zum
    Anlegeplatz. Doch da lagen zwischen dem Steg und dem Taxiboot bereits drei Meter Hafenwasser.
    »Das war knapp, Chefe!«, sagte Cetin.
    »Wieso?« Ich sah auf meine Uhr und erklärte, indem ich einen Hautfetzen vom Armband pulte: »Unser Flug geht doch erst morgen früh um elf.«
    Wir lachten erleichtert auf. Der Kapitän lachte mit, nur Dora nicht. Nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, wie sie so ins Mondlicht schaute, hatte Dora noch gar nicht begriffen, was los war.
    Und was in den nächsten Wochen auf sie zukommen würde, das konnte sie erst recht nicht ahnen.
    57.
    Die Maschine rollte zur Startbahn.
    Cetin saß auf dem Fensterplatz, Dora zwischen uns in der Mitte. Unter den sonnengebräunten Urlaubern wirkte sie bleich und

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