Der Bierzauberer
Geschäfte
machte. Niklas sandte einen Brief nach Ebstorf, der nach drei Monaten wohlwollend
beantwortet wurde. Agnes Maria packte ihre Sachen, das wenige, das sie im Kloster
benötigte, und sagte ihrer Familie ›Auf Wiedersehen‹.
Sie reiste
mit Eskerich, der sich wieder einmal nach Lübeck aufmachte, um Geschäfte zu machen.
Als dieser einige Wochen später zurück war, berichtete er, Agnes sei gut aufgenommen
worden. Ihre Melancholie war schon während der Reise geschwunden, da sie jetzt wieder
einen Sinn in ihrem Leben sehen konnte. Niklas dankte Eskerich Strötgen herzlich
für seine Hilfe und lud ihn ein, wann immer er wollte, in sein Haus zu kommen und
sich auf ein Bier oder mehrere niederzulassen. Gerne folgte Eskerich dieser Einladung,
und in der nächsten Zeit wurden die beiden gute Freunde.
Im Herbst 1298 kam dem Kölner
Magistrat die glorreiche Idee, zusätzlich zu all den verschiedenen Abgaben, welche
die Brauer leisten mussten, eine eigene Kölner Malzsteuer zu erheben. Die Kölner
Brauer zeigten zum ersten Mal Geschlossenheit und protestierten lautstark. Sie erhöhten
geschlossen die Preise, sagten jedem Kunden, die Schuld träfe den Magistrat.
Alles
war zwecklos, der Magistrat blieb hart, er brauchte das Geld dringender als ein
gutes Auskommen mit den Brauern. Niklas versuchte, die anderen Brauer zur Gründung
einer Zunft zu überreden, wie sie in anderen Berufen schon üblich war, hatte aber
keinen Erfolg. Zu unbedeutend erschien den meisten anderen Brauern der Einfluss
des Biers auf die Geschicke und die Politik der größten Stadt Europas.
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Niklas hatte bereits als Novize in Urbrach erfahren,
dass eine derjenigen Einrichtungen von Mutter Kirche, von der alle Brauer immer
profitiert hatten, egal ob im Kloster oder in der Stadt, die Fastenzeit war.
Er hatte
dies vor Jahren schon mit Bernard diskutiert, während seines Augsburger Besuchs,
damals, als sie noch befreundet gewesen waren. Und ganz gleich, wie man es sah,
Bier war eines der wenigen schmackhaften Dinge, die sich alle guten Christenmenschen
auch in der Fastenzeit ohne Bedenken zu Gemüte führen konnten.
Das war
nicht ohne Folgen für die Geschäftspolitik der Brauer geblieben. In der Fastenzeit
gab es stärkeres, aber auch teureres Bier. Je nach Stadt und Gegend unterschied
sich die Anzahl der offiziellen Fastentage. Während in den Klöstern bis zu 200 Tage
im Jahr gefastet wurde, kamen die Städter mit erheblich weniger Fastenzeit aus.
Und sogar in diesen wenigen Tagen wurden nicht alle Regeln streng befolgt.
Maria hielt sich an das Verbot
der Laktizinien, es kamen also weder Milch noch Käse oder Butter auf den Tisch.
Während Bier, das ›flüssige Brot‹, ausdrücklich erlaubt war, war ›flüssiges Fleisch‹,
für das Eier angesehen wurden, ebenso ausdrücklich verboten. Auch unreines Fleisch,
wie Pferdefleisch, oder erstickte Tiere, Tiere aus Fallen oder nicht ausgeblutete
Tiere waren tabu. Diese Art Fleisch kam sowieso eher selten auf den Tisch, schon
wegen Mosche und Salomon.
Beim Essen
außer Haus war Niklas jedoch nicht mehr an Marias Fastenküche gebunden. So grämte
er sich ebenso wenig über die Fastenzeit wie die anderen Kölner. Es gab nicht nur
gutes Bier, auch entwickelten einige Köche eine wahre Meisterschaft im Umgang mit
den wenigen erlaubten Zutaten. So konnte man den leckersten Fisch während der Fastenzeit
essen. Es gab nahrhafte, wohlschmeckende Getreidepasteten, in denen manchmal sogar
Milch, Eier oder Hackfleisch versteckt waren. Und falls alles nichts half, wurden
die Gerichte wenigstens besonders phantasievoll und ausschweifend dekoriert.
Dazu noch
ein prächtiges starkes Bier, süß und gleichzeitig bitter, im Krug schäumend, da
hatte niemand mehr das Gefühl, beim Fasten etwas zu verpassen. Wenn man bis nach
der Messe nüchtern bleiben musste, trank man danach eben eines mehr.
Alles
in allem hatte in Köln niemand Angst vor der Fastenzeit, die vom Aschermittwoch
bis zur Ostermette am Ostersonntag dauerte.
Und auf den Vorabend der großen
Fastenzeit freuten sich beinahe alle Kölner. Da gab es den sogenannten Fastabend,
die Nacht vor Aschermittwoch. Jeder feierte ausgelassen, die Stadt war voller Menschen.
Alle Plätze, Brauhäuser und Schenken barsten vor freudig erregtem Publikum. Dadurch,
dass die Richerzeche die Narreteien genehmigt hatte, hatten die Menschen bereits
vor längerer Zeit begonnen, sich am Fastabend Masken aufzusetzen und so unerkannt
allerlei Schabernack zu
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