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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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stören.
    Das große
Spanferkel am Spieß war das letzte des Tages und somit das letzte vor der Fastenzeit.
Nur noch einige Reste hingen an den abgeschabten Knochen. Dann nahm Niklas den Spieß
vom Feuer, riss die Reste des Ferkels vom Spieß und legte ihn beiseite.
     
    Er sah einen als Narr maskierten
Zwerg und musste lächeln. Der Zwerg trug ein farbiges Kleid, ein sogenanntes ›Mi-parti‹.
    Der linke
Arm war blau, der rechte Arm war rot. Die Beine waren genau andersherum bestrumpft.
    Der Rumpf
war ebenso mehrfarbig genäht.
    Zusätzlich
war das ganze Kleid mit Schellen behängt.
    Am Gürtel
des Hosenbundes hing ein Spiegel.
    Auf dem
Kopf trug er eine ›Gugel‹, eine lange, zipfelige Mütze mit einer Schelle daran.
    Wie alle
Zwerge, hatte dieser einen übergroßen Kopf, sein Bart war ungepflegt und die Zähne
alle schwarz.
    Der Zwerg
kam zum Schanktisch und stellte sich auf einen Stuhl, der gerade frei wurde.
    »Gebt
mir ein Bier, aber ein großes, starkes!«
    Gelächter
der anderen Gäste war die Folge.
    »Darfst
du denn schon trinken?«
    »Na, du
kleiner Kobold, warum bist du nicht in deinem Käfig?«
    »Zwerge
bringen doch Glück! Bringt dem Kleinen ein Bier!«
    Einer
der Gäste fasste dem Zwerg in den Schritt: »Mal sehen, ob ein Zwerg da auch so viel
kleiner ist.«
    Das Gelächter
schwoll an, der Zwerg lachte notgedrungen mit.
    Scheinbar
war er dies gewohnt.
     
    Er bekam sein Bier, stieß
mit seinen Spöttern an und trank den Krug in einem Zug leer.
    Dann ergriff
er den Spieß, den Niklas soeben beiseite gelegt hatte, und rammte ihn seinem Nachbarn
genau ins Auge, tief hinein in den Kopf.
    Blut spritzte
umher, ein markerschütternder Schrei war sein letztes Lebenszeichen.
    Bevor
die anderen Männer reagierten, hatte der kräftige Zwerg den Spieß schon wieder herausgezogen
und sich Richtung Niklas gewandt, der ihm in diesem Moment den Rücken zukehrte.
    »Niklas,
gebt acht!« Die Schreie gellten durch den Raum.
    Niklas
ging sofort in die Hocke; oft genug hatte er bei Raufereien schnell handeln müssen,
wenn Gegenstände durch die Luft flogen.
    Er war
aber nicht schnell genug.
    Der Bratspieß
nagelte seine Hand an die hölzerne Wand.
    Niklas
schrie, wie er seit dem Gottesurteil in Urbrach nicht mehr geschrien hatte.
    Brüllte
im wahrsten Sinne des Wortes wie am Spieß.
     
    Währenddessen versuchte der
Zwerg zu fliehen, wurde jedoch eine leichte Beute für die angetrunkenen Soldaten,
von denen einer dem flüchtenden Zwerg quasi im Vorbeilaufen mit seinem Morgenstern
den Schädel zertrümmerte.
    Der Fastabend
war vorüber.
     
    Maria war herbeigeeilt und
versuchte zusammen mit anwesenden Gästen, Niklas’ Hand zu befreien. Nachdem sie
das geschafft hatten, bereitete sie einen Verband mit Kräutern vor, um die starke
Blutung zu stoppen. Sie kannte sich mit Verletzungen gut genug aus, um zu sehen,
dass Niklas Glück gehabt hatte. Der Spieß war durch die ganze Hand hindurchgegangen,
hatte aber nur das Fleisch durchbohrt, ohne Sehnen oder Nerven zu treffen. Niklas
würde ein paar Tage Ruhe brauchen, da kam die Fastenzeit nicht gerade recht. Sie
würden für die Dauer von Niklas’ Genesung noch einen oder zwei zusätzliche Schankburschen
einstellen müssen.
    Die Leiche
des Zwergs wurde von der Richerzeche beschlagnahmt und untersucht. In seiner Tasche
fand man einen Ablassbrief, in dem ihm ewiges Leben im Paradies und ein vollständiger
Erlass aller Sünden versprochen wurde, wenn er mithelfen würde, dem gottlosen Fastabendtreiben
Einhalt zu gebieten.
    Die Diskussion
ging los, wer der Urheber dieses Briefes sein könnte.
    »Das Siegel
fehlt und der Name des Unterzeichneten ist nicht zu entziffern.«
    »Der arme
Teufel, er hat sich reinlegen lassen.«
    »Ohne
Unterschrift und Siegel werden die Sünden doch nicht erlassen«, murmelte ein Dritter.
»Der Ablassbrief ist wertlos.«
    »Wer uns
da wohl unseren Fastabend neidet?«
    Aber Niklas
glaubte nicht an Zufälle. Er war sicher, Bernard hatte seine Hand im Spiel gehabt.
Beweisen konnte er es allerdings nicht.
     
    Nach diesem Fastabend 1303
war nichts mehr so wie vorher. Die Richerzeche strich alle Geldmittel und Zuschüsse
für das Fest. Die Angst, dass unter der Narrenkappe Diebe, Mörder und Verbrecher
die Stadt unsicher machen könnten, war zu groß geworden.
    Und obwohl
alle wussten, dass Niklas nur eines der unschuldigen Opfer eines Verrückten geworden
war, trug er für alle Brauer doch eine Mitschuld am Geschäftsrückgang der Fastabende
der kommenden

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