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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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beides
zu kombinieren. Ein Kölner ›Mechanicus‹, der sich auf feine Arbeiten wie neuartige
Uhrwerke spezialisiert hatte, hatte gerade erst erfolgreich einen antiken Apparat
nachgebaut. Der griechische Mathematiker und Ingenieur Heron von Alexandria hatte
vor über 1000 Jahren ein Buch namens ›Pneumatika‹ geschrieben. Dieses war jetzt
wieder verfügbar, in einer lateinischen Übersetzung. Darin beschrieb er die Konstruktion
eines Weihwasserautomaten. Bei diesem lag eine Holzscheibe auf der Wasseroberfläche
des Weihwassers. Sobald eine Münze in den Automaten hineingeworfen wurde, drückte
deren Gewicht das geweihte Nass durch ein Metallrohr nach oben, das vom Gläubigen
in Empfang genommen werden konnte.
    Der Mechanicus
hatte den Automaten erfolgreich getestet und sogleich wurde er in der Kirche St.
Gereon aufgestellt. Die Menschen drängten sich darum, obwohl es das Weihwasser in
anderen Kirchen noch umsonst gab. Aber wie lange wohl? Einige Kirchen, wie St. Severin,
St. Aposteln und St. Ursula, hatten bereits Automaten bestellt. Als Niklas davon
hörte, ging er sofort nach St. Gereon, um sich die Konstruktion anzusehen. Er dachte
gleich an andere Anwendungen. Die Brauerei lief so gut, dass er die Hauptarbeit
seinen drei Brauern überlassen konnte und sich wieder neuen Erfindungen oder Verbesserungen
zuwenden konnte. Darum suchte er den Mechanicus auf und besprach mit ihm die Konstruktion
eines ähnlichen, wiewohl ungleich größeren Automaten, der einen Krug Bier spenden
sollte.
    Otto,
der Mechanicus, versprach Niklas, darüber nachzudenken und, sobald die Zeit es erlaube,
den Automaten auch zu bauen. Niklas überlegte angestrengt, wie man die beiden größten
Probleme dabei in den Griff bekommen könnte. Zum einen die größere Menge. Beim Weihwasser
bekamen die Gläubigen so viel Wasser, wie es dem Gewicht der Münze entsprach. Das
wäre bei Bier viel zu wenig oder man müsste sehr viele schwere, aber wertlose Münzen
einwerfen. Zum anderen, wie konnte er sicherstellen, dass das Bier immer frisch
war.
    Für beide
Probleme fand er eine Lösung:
    Er könnte
eigene Münzen herstellen lassen, zum Beispiel aus Stein, die so geformt waren, dass
nur sie hineinpassten. Und in den Automaten würde er von hinten ein Fass mit Bier
stellen, aus dem man einfach den Kübel wieder auffüllen könnte, der den Krug des
Benutzers füllte. Man müsste nur zweimal täglich zum Nachfüllen vorbeikommen.
    Otto hatte
bald Zeit für sein Anliegen, und gemeinsam arbeiteten sie den Sommer über daran.
Niklas ließ bei einem Steinmetz Steine zuschneiden, die in seinem Brauhaus verkauft
werden sollten. Durch einen geschickten Hebel, den Otto bei der Mechanik einsetzte,
wurden die Steine nicht ganz so schwer, wie zu Anfang befürchtet.
    Bald musste
ein Schreiner hinzukommen, da der Kasten für den Automaten bereits die Abmessungen
einer großen Kleidertruhe hatte.
    Niklas
ließ sich nicht beirren.
    Die ersten
Versuche waren erfolgreich, und im Oktober 1292 wurde am Kölner Hahnentor der erste
Bierautomat der Welt aufgestellt.
    Der Aufruhr
war sogar noch größer als beim Weihwasserautomaten. Neben reichlich Zustimmung nicht
nur der Biertrinker, sondern auch der Stadtadligen, die sich dem Fortschritt verpflichtet
fühlten, gab es auch Ablehnung, und zwar aus verschiedenen Gründen.
    Viele
Bürger lehnten neue Erfindungen genauso ab wie die Brüder zu Niklas’ Klosterzeit.
Es wurde als gotteslästerlich angesehen, den Lauf der Welt verbessern zu wollen.
    Die Prediger
gegen den ›Saufteufel‹ hatten ein neues Ziel, und im ersten Monat wurde der Automat
zweimal zerstört. Doch die Konstruktion war sehr solide und die Reparatur ging schnell
vonstatten. Niklas verkaufte am Tag zwei Fässer Bier mehr, seit der Automat am Hahnentor
stand. Die anderen Brauer fragten nach dem Geheimnis, doch Otto war von Niklas rechtzeitig
zum Stillschweigen verpflichtet worden.
    Niklas
machte sich damit unter seinen Brauerkollegen nicht nur Freunde. Mangels eigener
Zunft oder Gaffel hatten sie zum Glück für ihn keine Handhabe, ihn zur Herausgabe
von Geheimnissen zu zwingen.
    Größerer
Ärger als von seinen Brauerkollegen drohte ihm wieder einmal von der Richerzeche.
Einige Bürger, darunter auch Brauer, hatten sich beschwert, dass Trunkenheitsdelikte
stark zugenommen hätten, seit der Automat in Betrieb war. Konnte ein Wirt einem
Betrunkenen das Bier verweigern, wenn er genug oder zu viel hatte – obwohl dies
selten geschah –, gab der Automat immer,

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