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Der Bierzauberer

Der Bierzauberer

Titel: Der Bierzauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Thömmes
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Jahre.
     
    Es dauerte über zehn Jahre,
bis sich die Narren zum Fastabend wieder so aufführten wie gehabt.

22
     
    Der beinahe tödliche Fastabend und die Krankheit,
die ihm Agnes Maria geraubt hatte, waren aber nicht alles, was das Schicksal für
Niklas bereithielt. Anfang 1305 erkrankten auch Maria und sein Sohn Matthias Friedrich.
Beide zeigten plötzlich Geschwüre und verfielen körperlich. Sie hatten zeitweilig
Störungen der Augen oder konnten manchmal nicht einmal mehr gerade gehen.
    Niklas
war ratlos und ließ wieder den Medicus kommen. Der schaute die beiden Patienten
an und wollte sie gleich mitnehmen nach Melaten. Niklas fragte: »Was gibt es in
Melaten, außer schauderhaftem Dollbier?«
    Der Medicus
verfiel beinahe in einen Tonfall, als ob er predigte: »So steht es geschrieben im
Buche Leviticus: ›Ein Aussätziger, der vom Aussatz befallen ist, soll in zerrissenen
Kleidern einhergehen und sein Haupthaar aufgelöst tragen. Er soll seinen Bart verhüllen
und ›Unrein! Unrein!‹  rufen. Da er unrein ist, soll er abgesondert wohnen, außerhalb
des Lagers sich aufhalten.‹«
    Niklas
fragte ungläubig: »Aussätzig?«
    Der Medicus
bestätigte, dass es vielleicht, oder wahrscheinlich sogar, Lepra sei. In Melaten
war das große Kölner Leprosorium, in dem alle Verdachtsfälle untersucht wurden.
    Maria
und Matthias Friedrich, der ein sehr guter Brauer geworden war und mit dem Gedanken
spielte, mit seinen 29 Jahren in einer andern Stadt eine eigene Brauerei zu gründen,
wurden in Melaten vorgeführt und nach kurzer Besichtigung wurde beiden ein Lepraschaubrief
mit der vernichtenden Feststellung ›Immundus et leprosus – unrein und leprakrank‹
ausgestellt. Sie durften noch nicht einmal mehr nach Hause gehen, die sofortige
Absonderung von den Gesunden war Pflicht. In Melaten gab es einen eigenen, abgeschlossenen
Flügel für an Lepra Erkrankte, wo sie sofort eingewiesen wurden.
    Niklas
musste die typische Leprösenkleidung für die beiden kaufen, diese bestand aus einem
grauen, weiten Umhang, der mit einer Kapuze versehen war, einem grauen, breitkrempigen
Hut, der durch ein langes Band gehalten wurde, sowie Handschuhen.
    Weiterhin
musste er für den Fall, dass ein Lepröser einmal Melaten verließ – was nicht oft
vorkam – eine dreiteilige Klapper beschaffen, mit der man kastagnettenartige Geräusche
von sich geben konnte. Dadurch wurden gesunde Zeitgenossen rechtzeitig gewarnt und
konnten die Flucht ergreifen.
    Die Grundausstattung
der Leprakranken wurde komplettiert durch die ebenfalls erforderliche Trinkflasche,
eine Brottasche und einen langen Stock, mit dem man auf Gegenstände, die man kaufen
wollte, weisen konnte. Denn Waren oder gar Menschen zu berühren, war den Leprösen
strikt verboten.
    Zu Hause
musste Niklas all ihre Kleidung verbrennen. Er durfte seine Angehörigen bei Besuchen
nur von Weitem sehen. Erstaunlicherweise lebten beide noch sehr lange. Von Lepra
gezeichnet, starb Maria erst 1325 und auch Matthias lebte noch sechs Jahre lang
mit der Krankheit.
    Niklas
zahlte viel Geld an das Leprosorium Melaten, um sicherzustellen, dass seiner Familie
die bestmögliche Unterkunft und Behandlung zuteil wurde.
    Aber nach
diesem Lepraschaubrief für seine Liebsten war er ein gebrochener Mann. Er hatte
damit seine Hoffnung aufgegeben, eine eigene Dynastie der ›Reinen Brauer‹ zu gründen
und sich damit unsterblich zu machen. Jetzt wollte er nur noch für sein Zweitliebstes
leben, das Bier. Und damit für immer im Gedächtnis der Bierliebhaber bleiben.
    Auch Salomon
und Mosche konnten ihn nicht trösten.
     
    Er jammerte nächtelang und
beklagte sein Schicksal. Darüber wurde er selber todkrank. Seine Gemütskrankheit
griff in Form eines hohen Fiebers auf seinen Körper über. Nach mehreren durchwachten
Nächten, die er, nass geschwitzt, in Fieberträumen durchgestanden hatte, entsann
er sich alter Rezepte von Bruder Thomas aus Urbrach.
    Er erinnerte
sich an Kresse und Thymian zur Fiebersenkung sowie an Sellerie und Rosmarin zur
Belebung der Lebensgeister. Zum ersten Mal seit der Schlacht von Worringen braute
er wieder Bier, das nicht nur mit Hopfen gewürzt war. Das Bier war stark, schwarz
und würzig. Die Kräuter gaben ihm einen kräftig-aromatischen, beinahe scharf-bitteren
Geschmack. Niklas nahm täglich, von morgens bis abends, mehrere Krüge dieses Gebräus
zu sich. Er vergaß dabei jedoch die Wirkung, die große Mengen Thymian auf die Körpersäfte
haben können und wurde einige Tage

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