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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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Halluzinationen im Bordell am vergangenen Tag stellten ein klares Zeichen dafür dar, dass seine chemischen Dämme brachen. Er hielt es für weit besser, sie selbst einzureißen und das daraus resultierende Trauma hier zu bewältigen – vorübergehend und unter seinen Bedingungen –, als es unwiderruflich in der wahren Welt hervorbersten zu lassen.
    Shaper trommelte mit den Fingern und versuchte abzuwägen, ob er sich bereits gelangweilt genug fühlte, um mit seiner Gratisprobe des Penispulvers zu experimentieren, oder ob er es lieber für später aufheben sollte, wenn die Lage noch schlimmer würde. Oder zumindest, wenn er Gesellschaft hätte. Letztlich beschlosser mit einem widerwilligen Seufzen, dass jeder Missbrauch einer Substanz – einer mythischen oder sonstigen – gegen die Gesinnung der Entgiftung verstieß, und schob das Pulver mürrisch von sich.
    Es würden sehr, sehr harte Tage werden.
    Natürlich hatte er es schon auf konventionellem Weg versucht. Vor fünf Jahren, als die Krankheit noch jung war, als die Parade krimineller Schreckenstaten und schuldbewusster Gräuel, die ihn mental zusammenklappen ließ, noch frisch war, da hatte es Ärzte, Verschreibungen und »Medikamente« im eigentlichen Sinn gegeben. Er war damals aus der Dunkelheit eines – wie er inzwischen wusste – Zusammenbruchs hervorgekrochen, gefangen im Wandertrieb beruhigender Empfindungen und trotzdem immer noch heimgesucht von …
    Tja.
    Von ihr.
    Von den Corams.
    Von Verrat, von Kugeln und von Blut. Von Krankenhäusern, von Ultraschallmonitoren, von warmen, erschlaffenden Händen und von Lügen, Lügen, Lügen   …
    Also nein. Die Ärzte hatten versucht, ihn zu heilen, doch war er durch ihr Versagen zu einem Zombie geworden. Er hatte nur einen Monat gebraucht, um eine eigene Lösung zu finden. Nicht unbedingt eine Heilung, sondern einen Trick, eine zweite Stabilität. Ein hohes Amphetaminplateau, das sich über den gierigen Schlund der Vergangenheit erstreckte und es ihm ermöglichte, nach außen hin normal aufzutreten und den geheimen Schleim in den hintersten Winkeln seines Gehirns zu verstauen wie einen in Knorpel gepackten Tumor.
    So konnte er funktionieren – sich konzentrieren, denken und fühlen. Ein paar gelegentliche Tage, um den Druck abzubauen, schienen dafür ein geringer Preis zu sein.
    Shaper wusste, dass sich sein Verstand in den nächsten Nächten, wenn die Aufputschmittel seinen Körper verließen, auf Wanderschaft begeben würde. Er würde über rasiermesserscharfe Erinnerungen stolpern. Er würde vor Schluchzen förmlich ersticken, ohne zu wissen, warum. Er würde Rauch sehen und Schreie hören. Die Wahnvorstellungen würden sich wie eine Strafe von seinem Rautenhirn lösen und alles beeinträchtigen und infizieren, was er sah oder hörte. Aufregung oder Stimulation würde das nur verschlimmern, deshalb wollte er versuchen, so viel wie möglich zu schlafen. Der Rest ließ sich durch Sinnesentzug zumindest entschärfen.
    Dunkle Räume, lauwarme Bäder, geschmackloses Essen …
    Und dann, am dritten oder vierten Tag, würde er ihre Stimme hören. Ihr trauriges, verhaltenes Lächeln sehen.
    Und in dieser Sekunde, bevor er in die Tiefen seiner Sünden hinabgerissen werden konnte, würde er die erste Dexedrine-Tablette einwerfen und den gesamten Prozess von vorn beginnen. Ein Spießrutenlauf zwischen Regen und Traufe in einem Abstand von zwei Monaten.
    Bisher funktionierte es.
    Auf dem Tisch rieselten einige Umschläge von dem Stapel. Zum Vorschein kam ein prähistorisches Gesicht mit entschieden desinteressierter Miene.
    »Ziggy!«, rief Shaper, außer sich vor Freude über die Ablenkung. »Wie geht’s, alter Junge?«
    Das Tier blinzelte theatralisch langsam und kackte auf die Rechnungen. Sogar das wirkte wie ein Akt existenzieller Apathie.
    Anfangs hatte Shaper die Vorstellung eines Haustiers abgeschreckt. Eines Abends in einem Pub hatte Vince »sein Problem« – ein allzeit beliebtes Thema – langatmig als Verlangen nach Zuwendung und Struktur diagnostiziert. Blödsinn , hatte Shaper darauf – nur ansatzweise überzeugend – erwidert, während ein loser Bund von Stammgästen knuddelige Kätzchen nachgeahmt und darüber spekuliert hatte, ob vielleicht ein junger Hund seinem wertlosen Leben eine Bedeutung geben könnte. Shaper hatte den Vorfall völlig vergessen, bis er einige Wochenspäter damit beauftragt wurde, die vermisste Tochter eines Reptilienschmugglers aus Leyton zu finden, der, wie

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