Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)
hinter der Tür, holte daraus eine torpedoähnliche Sauerstoffflasche hervor und lud sie geschickt auf einen Handwagen. »Dritte Tür rechts«, sagte sie und nickte voraus. »Gehen Sie geräuschvoll, ja? Er mag es nicht, wenn man ihn erschreckt.«
Shaper nickte, täuschte Selbstbewusstsein vor und begann, den Gang hinabzustapfen, so linkisch er nur konnte.
»Er ist ganz reizend«, rief Tova ihm wie einen nachträglichen Einfall nach. »Er will nur, dass Sie ihm zuhören. Und am Ende will er erfahren, was Sie zu sagen haben.«
»Verstehe. Danke.« Er erreichte die entsprechende Tür und stellte fest, dass seine Finger jetzt unübersehbar zitterten, als er sie anspannte. Eine beklommene Übelkeit nistete sich in seinem Magen ein.
Die Chemikalien, die den Körper verließen? Oder die Anspannung, die seine Krankheit wie einen eingesperrten Löwen köderte? So oder so – Scheiße .
»Ach ja, eine Sache noch.« In der Düsternis konnte er Tovas Gesicht gerade noch über einem Gewirr von Inhalatoren und Schläuchen ausmachen. »Er kann … wie sagt man … etwas exzentrisch sein. Verwirrt, Sie verstehen? Am besten achten Sie gar nicht darauf. Er erzählt große Geschichten. Lächeln Sie einfach. Und widersprechen Sie nicht.«
»Nicht widersprechen. Kapiert. Hat er auch einen Namen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist Mr. Glass.«
Shaper trat durch die Tür. Sofort wurde er in ein elektrisches Wechselspiel von Dunkelheit und Licht getaucht: funkelnde Blautöne in kalten, kantigen Kästen, die in pechschwarzer Finsternis schwebten. Und als wäre die unerwartete Surrealität, die ihn umgab, ein Stichwort, begann seine Sicht zu verschwimmen.
Mist .
Shaper blinzelte, riss sich zusammen und murmelte: »Aquarien …« Eine Menge Aquarien.
Wie gebannt ging er zwischen den Gängen voran, gefesselt vom sanften Blubbern der Filter und den von Halogenlicht erhellten Blasen. Ein steriles Gefühl von Leben im Uterus – gedämpft, flüssig, alles umschließend. Auf einer Seite trieb ein Schwarm glänzender gelber und roter Fische in Phalanxformation über einer löchrigen Koralle, die in seinen Augen wie ein von Geschwüren zerfressenes Gehirn aussah. Über seiner Schulter winkte eine prächtige Garnele mit farnartigen Klauen durch einen umlaufenden Wasserstrahl. Im Tank darüber lockte sinnlich eine Anemone, die ihre erotischen Ranken über die Bäuche dreier gestreifter Fische streichen ließ.
Shaper schüttelte den Kopf. Er spürte, wie der honigartige Matsch der Realität seinem Griff entglitt, und verfluchte sich dafür, die Drogen zu Hause gelassen zu haben. Nein, schlimmer noch – dafür, überhaupt erst hierhergekommen zu sein.
Blinzelnd versuchte er, sich einen Weg durch die Surrealität zu erkämpfen, indem er weiter die neonhellen Wassergrüfte entlanglief, doch es war zu spät. Die Krankheit hatte zwischen der nachlassenden Wirkung der Drogen und der schieren Absonderlichkeit des blubbernden Raums eine Lücke gefunden, und die Wahrnehmungsverzerrungen setzten sich fest.
Die Aquarien wurden zu dichten Reihen engelhafter Grabsteine mit Inschriften in fremdartigen Buchstaben aus lebendigem Licht, die mit zuckenden Kiemen Wasser schluckten. Als sich das Blubbern der Filter zu einem einzigen gedehnten, froschähnlichen Laut vereinte, war er überzeugt davon, die Seele jedes Lebewesens sehen zu können. Jeder Fisch wurde zu einem strahlenden Licht, jede wogende Unterwasserpflanze zu einem Geflecht von Laserstrahlen, denen die eigene Ahnungslosigkeit vollkommene Reinheit verlieh. Hier gab es keine Lügen, keinen Verrat, keine Falschheit. Auch keine synästhetischen Schwärme rubinroter Fliegen oder Pestgerüche – wie jene, die unter dem Eingang des Bordells hervorquollen –, nur die saubere Unkompliziertheit einer tumben Existenz.
Zumindest das war eine vertraute Wahnvorstellung, eine, die ihn irgendwann während jeder seiner Entgiftungskuren übermannte, in der stumpfen Sicherheit seines Heims jedoch harmlos blieb.
Hier hingegen …
Er ertappte sich dabei, dass er eine Hand hob, um sie prüfend zu betrachten, und er wusste bereits, welcher Anblick ihn erwartete. An der Kuppe des dritten Fingerknöchels brodelte die Haut. Rings um die bebende Pustel tauchten Flecken auf, deren Farbe zwischen einem blutlosen Weiß und einem fauligen Schwarz hin- und herblitzte. Ein roter Farbton zog sich wie eine Schliere durch die umliegenden Venen – eine Krankheit, die sich ausbreitete. In diesem Traum starb
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