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Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition)

Titel: Der Biss der Schlange: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Spurrier
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sein Körper von innen nach außen, infiziert von der Seuche, die sich tief in dem widerlichen Gewirr versteckte, das er als Seele bezeichnete.
    Die Schuld, die er auf sich geladen hatte. Die Dinge, die er getan, die Menschen, die er verletzt, die Leben, die er zerbrochen hatte.
    Sein eigener Dreck, der versuchte, sich einen Weg nach draußen zu bahnen.
    Shapers Augen weiteten sich. Mitten in dem schwärenden Fleck dehnte sich die Haut wie unter Druck. Etwas Weißes und Feuchtes bäumte sich von innen auf; ein winziger Körper, durch den peristaltisches Leben pulsierte.
    Eine Made .
    Bleich und geistlos brach sie durch die Blase und wand sich heraus, entlockte ihm ein tiefes Stöhnen und glitschte über seinen Handrücken. Er spürte, wie seine Knie schwach wurden.
    »Hier!«, hallte eine Stimme durch die Luft. »Klopfen Sie nicht an die Aquarien.«
    Shaper wollte erwidern, dass er das nicht vorhatte. Er versuchte, die Hand zu heben und sie dem unbekannten Anwesenden zu zeigen – jener Kuriosität, die sich in der Dunkelheit herumtrieb. Hier, sehen Sie nicht, dass ich gerade sterbe? , wollte er rufen. Was jedoch stattdessen seinen Mund verließ, war bloß ein belangloser Laut. Und als er sich letztlich dazu durchrang, den Kopf zu drehen und hinzuschauen, stoben alle Gedanken an seinen eigenen, grauenhaften Zustand davon.
    Ein Mann aus Licht starrte ihn an.
    Strahlend. Knisternd vor einem grellen Weiß so rein – so schlicht – wie diese nutzlosen, makellosen, die Dunkelheit sprenkelnden Fische. An den Rändern des Lichtkranzes durchzog ein violetter Farbton den Schein, und als die gottgleiche Wahngestalt eine Hand nach Shaper ausstreckte, spürte er, wie sich sein eigener Dreck zurückzog, wie die Seuche in ihn zurücktauchte.
    Die Made löste sich wie Asche in einem atomaren Windstoß auf.
    »Sie müssen dieser Shaper sein, richtig?«, sagte die Vision. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«
    »Wer …«, presste Shaper aus leeren Lungen hervor.
    »Ich bin George Glass«, gab das Licht zurück und ergriff seine Hand. »Und ich bin dreitausend Jahre alt.«
    An der Stelle verlor Shaper die Besinnung.

Kapitel 4
    Als er erwachte, fand er sich – im weitesten Sinne – in der realen Welt wieder.
    Die Wahrnehmungsverzerrungen waren verschwunden, und als er blinzelnd aus der Schwärze auftauchte, stellte er fest, dass auch das Summen in seinen Ohren verstummt war. Nur das endlose Blubbern und das Glitzern von Licht durch Wasser blieben; verwirrend und ablenkend, zugleich jedoch irgendwie beruhigend.
    Behutsam stand er auf und wartete, bis sich die Kopfschmerzen legten.
    Ein alter Mann starrte ihn an, zittrig auf einen Stock gestützt, die knittrige Stirn verwirrt in Falten gelegt.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Die Farbe der Augen des Mannes glich einem fast durchscheinenden Braun. Shaper musste dabei unwillkürlich an zwei Whiskypfützen denken. Unter ihnen flammte abrupt ein so außergewöhnlich argloses Lächeln auf, dass sich Shaper dabei ertappte, zurückzugrinsen und zu murmeln: »Bestens, bestens.«
    Entgegen allen bisherigen Erfahrungen verhallten die Kopfschmerzen wie das Ende eines miesen Songs.
    »Ich habe bloß dieses Leiden«, erklärte er. »Hin und wieder tritt es unverhofft auf. Ich … Jetzt geht es mir wieder gut.«
    Leiden .
    Was für ein Witz.
    Oh, er konnte sich gut daran erinnern, dass die Ärzte Bezeichnungen darauf abgefeuert hatten, als wäre ein Name einem Heilmittel gleichwertig. Das Capgras-Syndrom existenzieller Unsicherheit; somatoparaphrene Abkopplung von Teilen des eigenen Körpers; monothematische Wahnvorstellungen von Verwesung und Verfall – blablabla . Allerdings passte keine dieser Schubladen so richtig, und eine schlichte Bezeichnung konnte die darunterliegende Wahrheit nicht verändern.
    Shapers Vergangenheit brandmarkte seine Gegenwart wie eine über seine Sinne gelegte Farblinse.
    Sofern es für sein »Leiden« eine Bezeichnung gab, lautete sie: »Von Schuld zerfressen«.
    Aber der alte Mann wusste von alldem nichts und wackelte nur besorgt mit den Augenbrauen. »Sind Sie sicher, dass es Ihnen besser geht? Ich denke, Sie sollten sich trotzdem setzen. Hier entlang!«
    Und damit humpelte er davon.
    Da Shaper keine andere Möglichkeit sah, folgte er ihm, zeigte Geduld über das träge Vorankommen und gelangte in ein helles Wohnzimmer, in dem es zum Glück keine psychedelischen Auslöser gab. »Fische«, murmelte der Mann, als könne er seine Gedanken hören. »Entweder

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