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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sie sehr unangenehm machen.»
    «Ach, um Himmels willen, sei still», rief Kettering. «Halt deinen verfluchten Mund!»
    Lachend warf sich Mirelle auf den Diwan. Kettering nahm Hut und Mantel und verließ die Wohnung; er schlug die Tür heftig hinter sich zu. Und immer noch saß die Tänzerin auf dem Diwan und lachte leise in sich hinein. Sie war mit ihrer Arbeit nicht unzufrieden.
     

Siebtes Kapitel

Briefe
     
    « M rs Samuel Harfield entbietet Miss Katherine Grey die besten Grüße und möchte darauf hi n weisen, dass Miss Grey sich unter den obwaltenden U m ständen vielleicht nicht klargemacht…»
     
    Bis hierhin hatte Mrs Harfield flüssig geschrieben; nun kam sie nicht mehr weiter, aufgehalten durch eine Schwierigkeit, die schon vielen anderen als unüberwindlich erschienen ist – nämlich die Schwierigkeit, sich flüssig in der dritten Person auszudrücken.
    Nach einer oder zwei Minuten des Zauderns zerriss Mrs Harfield das Blatt ihres Briefpapiers und begann von vorn.
     
    «Liebe Miss Grey – Obgleich wir die kundige Art zu schätzen wissen, in der Sie Ihre Pflichten gegenüber meiner Kusine Emma erfüllt haben (deren Tod für uns alle ein schwerer Schlag war), kann ich doch nicht umhin…»
     
    Wieder hielt Mrs Harfield inne. Abermals wurde der Brief dem Papierkorb übergeben. Erst nach dem vierten falschen Anfang gelang es Mrs Harfield endlich, ein zufrieden stellendes Schreiben zu verfertigen. Es wurde geziemend versiegelt, mit einer Briefmarke versehen und adressiert an Miss Katherine Grey, Little Crampton, St. Mary Mead, Kent, und am folgenden Morgen lag es zum Frühstück neben dem Teller dieser Dame, zusammen mit einer bedeutender aussehenden Mitteilung in einem langen blauen Umschlag.
    Katherine Grey öffnete Mrs Harfields Brief als ersten. Das Endprodukt lautete folgendermaßen:
     
    Liebe Miss Grey
    Mein Gatte und ich möchten Ihnen unseren Dank aussprechen für die Dienste, die Sie meiner armen Kusine Emma geleistet h a ben. Ihr Tod war ein schwerer Schlag für uns, obgleich uns natü r lich bekannt war, dass ihr Geist seit einiger Zeit immer weiter nachgelassen hat. Soweit ich weiß, sind ihre letzten testamentar i schen Verfügungen ganz merkwürdiger Natur, und natürlich würde kein Gericht der Welt sie anerkennen. Ich zweifle nicht daran, dass Ihre Vernunft Sie diese Tatsache längst hat erkennen lassen. Wenn dergleichen Angelegenheiten privat erledigt werden können, ist es natürlich viel besser, sagt mein Gatte. Es wird uns ein Vergnügen sein, Sie für eine ähnliche Stellung auf das Alle r wärmste zu empfehlen, und wir hoffen ferner, dass Sie ein kleines Geschenk nicht ablehnen.
    Mit besten Grüßen Ihre ergebene
    Mary Anne Harfield
     
    Katherine Grey las den Brief, lächelte ein wenig und las ihn ein zweites Mal. Ihr Gesicht wirkte deutlich amüsiert, als sie den Brief zu Ende gelesen hatte. Dann nahm sie das zweite Schreiben zur Hand. Sie überflog es kurz, legte es beiseite und schaute gerade vor sich hin. Diesmal lächelte sie nicht. Einem Beobachter wäre es wohl schwer gefallen zu erraten, welche Gefühle hinter diesem ruhigen, versonnenen Blick lagen.
    Katherine Grey war dreiunddreißig. Sie stammte aus guter Familie, aber ihr Vater hatte sein ganzes Vermögen verloren, und schon in jungen Jahren hatte Katherine sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Mit knapp dreiundzwanzig war sie als Gesellschafterin zur alten Mrs Harfield gekommen.
    Es war allgemein bekannt, dass die alte Mrs Harfield «schwierig» war. Ihre Gesellschafterinnen kamen und gingen erschreckend schnell. Sie kamen voller Hoffnung und gingen gewöhnlich mit Tränen. Aber seit dem Tag, da Katherine Grey vor zehn Jahren Little Crampton betrat, hatte dort eitel Friede geherrscht. Niemand weiß, wie derlei sich ergibt. Schlangenbändiger, sagt man, werden geboren, nicht erzogen. Katherine Grey war geboren worden mit der Fähigkeit, mit alten Damen, Hunden und kleinen Jungen wunderbar umgehen zu können, und sie tat dies ohne sichtbare Zeichen von Mühe.
    Mit dreiundzwanzig war sie ein ruhiges Mädchen mit schönen Augen gewesen. Mit dreiunddreißig war sie eine ruhige Frau mit denselben grauen Augen, die mit einer Art gelassener Heiterkeit, die nichts erschüttern konnte, stetig in die Welt leuchteten. Außerdem war sie mit Sinn für Humor auf die Welt gekommen und den besaß sie noch immer.
    Als sie beim Frühstück saß und vor sich hin starrte, klingelte die Türglocke, begleitet von einem

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