Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
Gedanken gebracht hat, als ich dir in London gesagt habe, dass manchmal Unfälle geschehen. Und bist du nicht in Gefahr? Verdächtigt dich die Polizei nicht?»
    «Was zum Teufel…?»
    «Pssst!»
    Sie hob eine schlanke, olivfarbene Hand mit einem großen Smaragd am kleinen Finger.
    «Du hast Recht, ich hätte hier in der Öffentlichkeit nicht so reden sollen. Wir werden nicht mehr davon sprechen, aber unsere Probleme sind gelöst; unser gemeinsames Leben wird wunderbar sein – wunderbar!»
    Derek lachte plötzlich – ein schroffes, unangenehmes Lachen.
    «Die Ratten kehren also zurück, wie? Zwei Millionen machen etwas aus – natürlich. Ich hätte es wissen müssen!» Er lachte noch einmal. «Du willst mir helfen, diese zwei Millionen auszugeben, oder, Mirelle? Du weißt, wie man das macht; keine Frau wüsste es besser.» Wieder lachte er.
    «Pssst!», zischte die Tänzerin. «Was ist mit dir los, Derek? Sieh mal – die Leute drehen sich schon nach dir um.»
    «Mit mir? Ich will dir sagen, was mit mir los ist. Ich bin fertig mit dir, Mirelle. Hörst du? Es ist aus!»
    Mirelle nahm dies nicht so auf, wie er erwartet hatte. Sie sah ihn eine oder zwei Minuten lang an, dann lächelte sie sanft.
    «Also, was für ein Kind! Du bist wütend – du bist verletzt, und all das nur, weil ich praktisch denke. Habe ich dir denn nicht immer gesagt, dass ich dich anbete?»
    Sie beugte sich vor.
    «Aber ich kenne dich, Derek. Sieh mich an – sieh mal, ich bin’s, Mirelle, die hier mit dir redet. Du kannst nicht ohne sie leben, das weißt du auch. Ich habe dich vorher geliebt, jetzt werde ich dich hundertmal mehr lieben. Ich werde dir ein wunderschönes Leben bereiten – ganz wunderschön. Keine andere ist wie Mirelle.»
    Ihre Augen brannten auf ihn nieder. Sie sah ihn erblassen und Luft holen, und sie lächelte befriedigt vor sich hin. Sie kannte ihren Zauber, und ihre Macht über Männer.
    «Das wäre also abgemacht», sagte sie leise und lachte. «Und jetzt, Derek, lädst du mich zum Essen ein?»
    «Nein.»
    Er holte scharf Luft und stand auf.
    «Es tut mir Leid, aber ich habe es dir gesagt – ich habe eine Verabredung.»
    «Du isst mit jemand anderem? Bah! Das glaube ich dir nicht.»
    «Ich esse mit der Dame da drüben.»
    Brüsk ging er quer durch den Raum zu einer Dame in Weiß, die eben die Stufen heraufgekommen war. Ein wenig atemlos sprach er sie an.
    «Miss Grey, möchten Sie – darf ich Sie zum Essen einladen? Wir haben uns bei Lady Tamplin getroffen, wenn Sie sich erinnern mögen.»
    Katherine sah ihn ein paar Momente mit ihren nachdenklichen grauen Augen an, die so viel sagten.
    «Danke sehr», sagte sie nach einer kurzen Pause, «ich nehme Ihre Einladung gern an.»

Neunzehntes Kapitel

Unerwarteter Besuch
     
    D er Comte de la Roche hatte soeben sein déjeuner beendet, das aus einer omelette fines herbes, einem entrecôte Béarnaise und einem Savarin au Rhum bestanden hatte. Er tupfte mit der Serviette geziert seinen feinen schwarzen Schnurrbart ab und erhob sich von der Tafel. Als er den Salon der Villa durchquerte, registrierte er mit Wohlgefallen die wenigen objets d’art, die achtlos im Raum verteilt waren: die Louis-XV.-Schnupftabaksdose, den Satinschuh, den Marie Antoinette getragen hatte, und die übrigen historischen Kleinigkeiten, die zur mise en scène des Comte gehörten. Seinen schönen Besucherinnen pflegte er zu erzählen, es handle sich um Familienerbstücke. Er trat auf die Terrasse und sah zerstreut auf das blaue Meer hinaus. Er war nicht in der Stimmung, die Schönheit der Landschaft zu würdigen. Man hatte seinen ausgereiften Plan roh zunichte gemacht, und er musste alles wieder von neuem austüfteln. In einem Korbsessel ausgestreckt, eine Zigarette zwischen den weißen Fingern, versank der Comte in tiefes Grübeln.
    Hippolyte, sein Diener, brachte den Kaffee und einige Flaschen zur Wahl. Der Comte entschied sich für einen sehr feinen alten Brandy.
    Als der Diener sich eben entfernen wollte, hielt der Comte ihn durch eine knappe Geste zurück. Hippolyte stand ehrerbietig stramm. Er hatte kein besonders einnehmendes Gesicht, aber seine korrekte Haltung trug viel dazu bei, diese Tatsache geschickt zu verbergen. Er war nun das Bild ehrerbietiger Aufmerksamkeit.
    «Es ist möglich», sagte der Comte, «dass in den nächsten Tagen verschiedene Fremde ins Haus kommen. Sie werden versuchen, mit Ihnen und Marie Bekanntschaft zu schließen. Wahrscheinlich werden sie Ihnen einiges an Fragen über

Weitere Kostenlose Bücher