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Der blaue Express

Der blaue Express

Titel: Der blaue Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bemerkte er ihn wieder. Er lächelte vor sich hin. Die Straße stieg steil an. Der Fuß des Comte senkte sich auf das Gaspedal. Der kleine rote Wagen, eigens nach den Wünschen des Comte gebaut, hatte einen viel stärkeren Motor, als man vom Augenschein her angenommen hätte. Das Auto schoss vorwärts.
    Er schaute zurück und lächelte, der graue Wagen folgte ihm. Von Staub bedeckt flog das kleine rote Auto über die Straße dahin. Inzwischen war das Tempo gefährlich geworden, aber der Comte war ein erstklassiger Fahrer. Nun ging es bergab, Biegungen und Serpentinen folgten aufeinander. Irgendwann wurde der Wagen langsamer und kam schließlich vor einem kleinen Bureau de Poste zum Stehen. Der Comte sprang hinaus, hob den Deckel des Kofferraums, nahm das kleine braune Paket heraus und eilte ins Postamt. Zwei Minuten später fuhr er weiter in Richtung Menton. Als der graue Wagen dort ankam, trank der Comte auf der Terrasse eines der dortigen Hotels einen englischen five o’clock tea.
    Später fuhr er zurück nach Monte Carlo, speiste dort und war gegen elf Uhr wieder zu Hause. Hippolyte kam heraus, um ihn mit einem verstörten Gesicht zu begrüßen.
    «Ah! Monsieur le Comte ist wieder da. Monsieur le Comte hat mich heute Nachmittag nicht zufällig angerufen?»
    Der Comte schüttelte den Kopf.
    «Und trotzdem habe ich um drei Uhr von Monsieur le Comte die Weisung erhalten, mich bei ihm in Nizza im Negresco einzufinden.»
    «Ah ja?», sagte der Comte. «Und Sie sind hingefahren?»
    «Natürlich, Monsieur, aber im Negresco wusste niemand etwas von Monsieur le Comte. Er war nicht da gewesen.»
    «Ah», sagte der Comte, «und zu dieser Zeit hat Marie wohl gerade ihre Nachmittagseinkäufe gemacht?»
    «So ist es, Monsieur le Comte.»
    «Nun ja», sagte der Comte, «es hat keine Bedeutung. Ein Irrtum.»
    Er ging die Treppe hinauf, dabei lächelte er vor sich hin.
    In seinem Schlafzimmer angelangt, verriegelte er die Tür und sah sich aufmerksam um. Alles schien wie gewöhnlich. Er öffnete verschiedene Schubladen und Schränke. Dann nickte er. Man hatte alles fast genauso wieder hingestellt, wie er es hinterlassen hatte, aber nicht ganz. Offenbar hatte man eine sehr gründliche Durchsuchung vorgenommen.
    Er ging zum Schreibtisch und drückte die verborgene Feder. Die Geheimlade sprang auf, aber das Haar war nicht mehr da, wo er es hingelegt hatte. Er nickte mehrmals.
    «Sie sind vorzüglich, unsere französischen Polizisten», murmelte er vor sich hin, «vorzüglich. Ihnen entgeht nichts.»

Zwanzigstes Kapitel

Katherine schließt Freundschaft
     
    A m nächsten Morgen saßen Katherine und Lenox auf der Terrasse der Villa Marguerite. Trotz des Altersunterschieds schien eine Art Freundschaft zwischen ihnen zu entstehen. Ohne Lenox hätte Katherine das Leben in der Villa ganz unerträglich gefunden. Der Kettering-Fall war zurzeit das einzige Thema. Lady Tamplin beutete die Verbindung ihres Gastes mit der Affäre übergründlich aus. Die beharrlichsten Zurückweisungen, deren Katherine fähig war, prallten an Lady Tamplins Selbstbewusstsein ab. Lenox wahrte Distanz, amüsierte sich offenbar über die Machenschaften ihrer Mutter, hatte aber doch auch mitfühlendes Verständnis für Katherine. Die Lage wurde durch Chubby keineswegs verbessert, dessen naiver Eifer nicht zu unterdrücken war und der Katherine Gott und der Welt so vorstellte:
    «Das ist Miss Grey. Haben Sie von der Sache mit dem Blauen Express gehört? Sie hat da bis zum Hals dringesteckt. Hat sich mit Ruth Kettering ein paar Stunden vor dem Mord noch ganz lange unterhalten! Ziemlich viel Schwein für sie, was?»
    Ein paar Bemerkungen dieser Art hatten Katherine morgens zu einer ungewöhnlich scharfen Zurechtweisung bewogen, und als sie allein waren, bemerkte Lenox in ihrer üblichen trägen Redeweise:
    «Nicht daran gewöhnt, so benutzt zu werden, wie? Du hast noch einiges zu lernen, Katherine.»
    «Tut mir Leid, dass ich die Beherrschung verloren habe. Das passiert mir sonst nicht.»
    «War höchste Zeit, dass du mal lernst, Dampf abzulassen. Chubby ist bloß ein Esel, der meint’s nicht böse. Mutter dagegen geht einem auf die Nerven, aber bei der kannst du die Beherrschung verlieren, bis du platzt, ohne dass es auf sie einen Eindruck macht. Die sieht dich dann bloß mit großen, traurigen blauen Augen an und schert sich den Teufel darum.»
    Katherine antwortete nicht auf diese wenig respektvolle Bemerkung der Tochter, und Lenox fuhr fort:
    «Ich bin da eher

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