Der blaue Stern
führen zum Sumpf der Nächtlichen Geheimnisse, ebenso wie in die Stadt und zum Statthalterpalast. Wer immer in Freistatt herrschte, suchte unsere Mithilfe bei der Verlagerung von Truppen und Beförderung von Waffen, wenn es zu einer Belagerung kam.«
Sie zeigte dem sprachlosen Hauptmann unterirdische Räume, in denen sich ohne weiteres eine ganze Garnison verbergen konnte. Er trank aus einem tiefen Brunnen, dessen Wasser keineswegs brackig war, wie es in _ so nahe am Meer liegenden Städten häufig vorkam. Über sich hörte er die Geräusche des fröhlichen Treibens in den Häusern der Straße. Zalbars militärisch geschulter Verstand nahm alles auf, aber vor sich sah er im Kerzenschein Myrtis im aufregenden schwarzen Gewand als wahr gewordenen Traum für ihn als Mann, und die unterirdische Festung, die sie ihm zeigte, als wahr gewordener Traum für ihn als Soldaten. Der Trank hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Er wollte sowohl Myrtis als auch die Festung für sich, um sie zu beschützen und darüber zu bestimmen.
»Es gibt so viel in Freistatt, von dem ihr Rankaner nichts wißt. Ihr erlegt den Häusern Steuern auf und beeinträchtigt dadurch den Handel in der Stadt. Ihr wollt die Häuser schließen und uns alle, einschließlich mir, in die Sklavenpferche oder Schlimmeres schicken. Dann wird die Mauer unterwandert werden. Es gibt Männer in Freistatt, die vor nichts zurückschrecken, nur um diese unterirdischen Gänge in die Hand zu bekommen, und sie kennen den Sumpf und den Palast besser als ihr und eure Kinder jemals auch nur hoffen könnt, sie zu kennen.«
Sie zeigte ihm eine Wand, auf der Runen und magische Zeichen schimmerten. Zalbar berührte sie und mußte seine Neugier mit versengten Fingerspitzen bezahlen.
»Diese Schutzzauber sorgen für unsere Sicherheit, aber sie werden schwinden, wenn wir nicht mehr hier sind, um sie zu erneuern. Schmuggler und Diebe werden die Eingänge finden, die wir seit Jahrhunderten unbetretbar gehalten haben. Und dir, Zalbar, der du aus Freistatt einen Ort der Gerechtigkeit und Ordnung machen willst, wird dein Gewissen sagen, daß du dafür verantwortlich bist, wenn andere dies alles zerstören, weil du davon wußtest.«
»Nein, Myrtis! Solange ich lebe, wird niemand das hier anrühren!«
»Was bleibt dir übrig? Hast du nicht schon den Befehl, eine zweite Steuer aufzuerlegen?«
Er nickte.
»Wir haben bereits angefangen, die hier aufbewahrten Vorräte aufzubrauchen. Die Mädchen sind nicht glücklich, die Kaufleute noch weniger. Die Straße wird zugrunde gehen. Die Händler werden höhere Preise verlangen, und die Mädchen gezwungen sein, das Leben von Straßendirnen aufzunehmen. Denn wohin könnten sie gehen? Vielleicht wird Jubal sie ...«
»Ich glaube nicht, daß die Straße dieses Geschick erleiden muß. Wenn der Prinz erst weiß, was von dir und den anderen wirklich abhängt, wird er sich mit einer geringen Steuer begnügen, die zur Erhaltung des Schutzes von Freistatt verwendet werden und deshalb an euch zurückgehen wird.«
Myrtis lächelte insgeheim. Die Schlacht war gewonnen. Sie hakte sich bei ihm unter und kämpfte nicht mehr gegen die Wirkung an, die der Qualis auf sie hatte. Sie fanden eine verlassene Offiziersstube in der unterirdischen Festung und liebten sich auf dem kahlen Holzgitterbett, und erneut, als sie in ihrem Schlafgemach im Aphrodisiahaus angekommen waren.
Die Nachtkerze war bis auf ihren letzten Ring niedergebrannt, als Myrtis den geheimen Riegel zurückschob und den Hauptmann der Höllenhunde zu seinen Männern zurückkehren ließ. Lythande stand im Salon hinter ihr, kaum daß sie die Tür wieder geschlossen hatte.
»Hast du das Verhängnis abgewandt?« erkundigte der Zauberer sich lachend.
»Ich glaube schon.«
»Der Trank?«
»Ein Erfolg, wie immer. So verliebt war ich schon lange nicht mehr. Es ist ein herrliches Gefühl. Fast läßt es mich vergessen, wie weh es tun wird, wenn ich zusehen muß, wie er altert.«
»Warum hast du den Trank überhaupt benutzt? Gewiß hätte die unterirdische Festung allein schon genügt, einen Höllenhund zu überzeugen.«
»Ihn wovon zu überzeugen? Daß die Verteidigung von Freistatt nicht Huren und Kurtisanen anvertraut werden dürfte? Von deinem Trank abgesehen, gab es nichts, um ihn an mich zu binden, ihm klarzumachen, daß es das beste ist, wenn wir hierbleiben. Nein, das war die einzige Möglichkeit.«
»Du hast recht.« Lythande nickte. »Wird er dich wieder besuchen?«
»Er wird mich
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