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Der blaue Stern

Der blaue Stern

Titel: Der blaue Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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hörte die Verfolger im Augenblick zwar nicht, aber das hieß nicht, daß sie die Gegend verlassen hatten. Wahrscheinlich durchstöberten sie jeden Winkel und suchten hinter jeder Tür. Vielleicht aber hatte einer Benna schon erspäht und die anderen herbeigeholt. Sie könnten bereits hinter der Ecke stehen und sich für einen plötzlichen Angriff bereit machen.
    In Gedanken sah sie die Messer in ihren Händen.
    Wenn sie jetzt alles auf eine Karte setzte und verlor, kostete es sie das Leben, und ihre Mutter und Töchter hätten keinen Ernährer mehr. Sie müßten betteln, denn auf Eevroen wäre kein Verlaß. Handoo und Kheem, drei und fünf Jahre alt, würden, kämen sie nicht vorher um, Kinderhuren. Das war nahezu unvermeidlich.
    Sie war sich nicht schlüssig, was sie tun sollte, nur wenige Sekunden blieben ihr zum Handeln. In diesem Moment gaben die Wolken den Mond wieder frei. Das nahm ihr die Entscheidung ab. Sie rannte über die Straße auf Benna zu. Er lag noch immer im Dreck der Straße. Sein Kopf ruhte neben stinkenden Haufen Hundekot. Sie steckte ihren Dolch zurück in die Hülle und kniete nieder. Er schnappte entsetzt nach Luft, als sie ihn herumdrehte.
    »Bleib ruhig«, flüsterte sie sanft. »Hör zu, kannst du aufstehen, wenn ich dir helfe? Ich bringe dich weg!«
    Der Schweiß rann ihr über die Augen, als sie sich nach der Ecke, weit hinten, umsah. Sie konnte nichts sehen, aber wenn die Jäger schwarz gekleidet wären, hätte man sie aus dieser Entfernung auch nicht bemerken können.
    Benna stöhnte. »Ich sterbe, Masha«, quetschte er heraus.
    Masha preßte die Zähne zusammen. Sie hatte gehofft, er würde ihre Stimme nicht erkennen, wenigstens nicht, bis sie in sicherer Entfernung wären. Würden seine Verfolger ihn lebend finden, und ihren Namen von ihm erfahren, wären sie hinter ihr her. Sie dachten dann gewiß, sie hätte das Juwel, oder was immer es war, wonach sie suchten.
    »Hier, steh auf«, sagte sie, und bemühte sich, ihm zu helfen. Sie war klein, etwa fünf Fuß groß und wog zweiundachtzig Pfund. Aber sie hatte die Muskeln einer Katze, und die Angst verlieh ihr zusätzliche Kraft. Es gelang ihr, Benna auf die Beine zu bringen. Wankend brachte sie ihn zu dem Torbogen des Hauses an der Ecke.
    Benna roch merkwürdig, wie nach verwesendem Fleisch, aber trotzdem anders als alles, was sie bisher gerochen hatte. Es überlagerte den Geruch von kaltem Schweiß und Urin, der seinem Körper und den Kleidern anhaftete.
    »Es hat keinen Zweck«, stieß Benna zwischen den stark angeschwollenen Lippen hervor. »Ich sterbe. Der Schmerz ist schrecklich, Masha.«
    »Komm weiter!« zischte sie scharf. »Wir sind gleich da.«
    Benna hob den Kopf. Das Fleisch um seine Augen war aus der Haut geplatzt. Masha hatte noch nie zuvor solche Geschwülste gesehen. Die dunkle Färbung und die Schwellung sahen aus wie bei einer Leiche, die fünf Tage in der Sommerhitze gelegen hatte.
    »Nein!« murmelte er. »Nicht in das Haus vom alten Lahboo!«
    Unter anderen Umständen hätte Masha gelacht. An ihrer Seite war ein sterbender Mann, oder einer, der glaubte, er stürbe. Und der Tod wäre ihm sicher, fiele er in die Hände seiner Häscher. (Mir erginge es nicht besser, dachte sie.) Trotzdem schreckte er davor zurück, die einzige Zuflucht, die ihm blieb, zu betreten, aus Angst vor einem Geist.
    »Du siehst schlimm genug aus, um sogar Eisenfaust zu vertreiben«, sagte sie. »Geh weiter, oder ich lasse dich hier liegen.«
    Sie brachte ihn durch den Torbogen, allerdings nicht ohne Mühe, da das untere Viertel noch mit Brettern verschlagen war. Die Bohlen weiter oben waren im Laufe der Zeit bereits nach innen gebrochen. Allein die Furcht vor diesem Ort hielt die Leute davor zurück, das Holz zu stehlen, obwohl Holz selten und teuer war in der Wüstenstadt.
    Gerade als sie hineingeklettert waren - Benna fiel mehr als er kletterte -, hörten sie einen Mann etwas in dieser zischenden, reißenden Sprache sagen. Er war ganz nahe, konnte aber eben erst gekommen sein. Andernfalls hätte er die beiden gehört.
    Masha hatte geglaubt, an die Grenzen ihrer Ängste gelangt zu sein, doch nun wußte sie, daß dies noch lange nicht der Fall war. Der Sprecher war ein Raggah!
    Obwohl sie die Sprache nicht verstand - keiner in Freistatt sprach oder verstand sie - hatte sie schon öfter einen Raggah sprechen hören. Etwa alle dreißig Tage kamen fünf oder sechs der vermummten Gestalten, mit Kapuzen und Schleiern vor dem Mund, in den Basar und

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