Der blaue Stern
zugebracht, ihn anzuschreien, während er sie anblaffte, und wie oft schon hatte sie ihn abwehren müssen, wenn er nach Hause kam und seine Männlichkeit beweisen wollte? Sie konnte es nicht zählen.
Masha hätte sich längst schon von ihm getrennt, wenn nur eine Möglichkeit bestünde. Aber das Gesetz des Reiches gab bloß den Männern das Recht, sich scheiden zu lassen, es sei denn, die Frau konnte beweisen, daß ihr Gatte impotent oder zu krank war, Kinder zu zeugen.
Angewidert wandte sie sich ab und ging zum Waschplatz. Als sie an ihrer Mutter vorbeikam, hielt eine Hand sie fest.
Wallu sah sie mit ihrem einen, halb brauchbaren Auge an und sagte: »Kind! Mit dir ist etwas geschehen! Was war es?«
»Ich sage es dir gleich«, erwiderte Masha und wusch sich das Gesicht, die Hände und unter den Achseln. Später bereute sie zutiefst, daß sie Wallu keine Lüge erzählt hatte. Doch wie konnte sie ahnen, daß Eevroen aus seinem Rausch erwachen und nüchtern genug werden würde, um zu hören, was sie sagte? Hätte sie ihn nur nicht aus Wut getreten ... Doch das Bedauern half nichts. Aber welcher Mensch vergeudet nicht manchmal Zeit mit Reue?
Gerade erzählte sie ihrer Mutter ihr Erlebnis mit Benna, als sie ein Grunzen hinter sich hörte. Sie fuhr herum und sah Eevroen, der schwankend vor dem Vorhang stand, ein dummes Grinsen auf seinem fetten Gesicht - dem Gesicht, das sie einst so liebte.
Eevroen taumelte auf sie zu, seine Hände hielt er ausgestreckt, als wollte er sie packen. Er sprach mit schwerer Zunge, aber verständlich genug.
»Warum bischtu nischt hinter der Ratte her? Wennu schie gefangen hättescht, wären wir jetscht reich.«
»Schlaf weiter«, sagte Masha. »Das hat mit dir nichts zu tun.«
»Nix mit mir schu tun?« brüllte Eevroen. »Was meinschtu? Ich bin dein Mann! Wasch dir gehört, gehört auch mir. Ich will den Schtein!«
»Du verdammter Narr«, erwiderte Masha und versuchte, nicht zu schreien, damit die Kinder nicht aufwachten, und die Nachbarn nichts hörten. »Ich habe den Stein nicht. Ich hatte keine Möglichkeit, an ihn heranzukommen, falls es ihn überhaupt gab.«
Eevroen fuhr mit einem Finger die Nase entlang zum Auge hinauf und zog das untere Lid herunter. »Falsch esch ihn gab, ha? Mascha, du nimmscht mich aufn Arm. Du hascht den Schtein, und du lügscht vor deiner Mu ... Mu ... Mama.«
»Ich lüg' nicht!« schrie sie ihn an. Ihre Vorsätze, die Ruhe zu bewahren, hatten sie plötzlich, entgegen aller Vernunft, verlassen. »Du fettes, stinkendes Schwein! Ich habe Schreckliches durchgemacht und wurde beinahe umgebracht, und alles, woran du denken kannst, ist der Edelstein, den es wahrscheinlich nicht einmal gibt. Benna lag im Sterben. Er wußte vermutlich nicht mehr, wovon er sprach. Ich habe den Stein nie gesehen! Und .«
Eevroen knurrte: »Du will sch ihn nur nischt rausrücken!« Dann sprang er auf sie zu.
Sie hätte ihm leicht ausweichen können, aber ihr Ärger ging mit ihr durch. Sie griff nach einem Tonkrug voll Wasser und ließ ihn auf Eevroens Kopf heruntersausen. Der Krug hielt stand, Eevroen nicht. Er fiel mit dem Gesicht auf den Boden. Blut quoll aus einer Platzwunde am Kopf, und er schnarchte.
Die Kleinen waren inzwischen aufgewacht und saßen still im Bett.
Kinder aus dem Labyrinth lernen schon sehr früh, nicht so schnell zu weinen.
Zitternd kniete sich Masha nieder und untersuchte die Wunde. Dann erhob sie sich und ging an ein Regal. Sie kehrte mit einigen Lumpen zurück, schmutzigen - seinetwegen gewaschene zu verwenden, wäre eine Verschwendung. Sie fühlte seinen Puls, er schlug regelmäßig genug für einen Trunkenbold, der soeben durch einen harten Schlag ins Land der Träume befördert worden war.
Wallu erkundigte sich: »Ist er tot?«
Sie fragte nicht seinetwegen. Ihre Sorge galt ihr selbst, den Kindern und Masha. Falls ihre Tochter hingerichtet würde, weil sie ihren Mann erschlagen hatte, ob sie nun im Recht war oder nicht, wären sie und die Kinder ohne Ernährer.
»Er wird morgen früh denken, daß ihm der Kopf platzt«, erwiderte Masha. Mit etwas Mühe drehte sie Eevroen um, damit er mit dem Gesicht nach unten lag, dann hob sie seinen Kopf zur Seite und schob ihm ein paar Tücher unter. Falls er sich in der Nacht übergeben sollte, würde er nicht daran ersticken. Einen Augenblick lang war sie versucht, ihn wieder so hinzurollen, wie er gefallen war. Aber der Richter könnte dann vielleicht meinen, sie sei an seinem Tod schuld.
»Wir lassen ihn
Weitere Kostenlose Bücher