Der blaue Stern
bringen sollen.«
»Sie ist zu krank, um außer Haus gebracht zu werden«, erwiderte Masha. »Ich bitte Sie, kommen Sie mit mir.«
Nadeesh blieb hart, aber er gab ihr einige Pulver mit, die das Fieber des Kindes senken würden.
Sie dankte ihm mit Worten, innerlich aber verfluchte sie ihn. Auf dem Rückweg, sie war nur noch einen Block von ihrer Wohnung entfernt, hörte sie plötzlich dumpfe Schritte hinter sich. Sie sprang zur Seite, wirbelte herum und zog gleichzeitig ihren Dolch. Es schien kein Mond, nur ein spärlicher Lichtschein kam von einer Öllampe hinter einem vergitterten Fenster im ersten Stock über ihr.
In diesem Schimmer erblickte sie einen großen Schatten in einem Kapuzenumhang. Der Größe nach war es ein Mann. Dann hörte sie einen leisen, heiseren Fluch, und fand ihre Vermutung bestätigt. Er hatte versucht, sie von hinten zu packen oder niederzuschlagen, aber ihr unerwarteter Sprung hatte sie gerettet. Für den Augenblick zumindest. Jetzt griff der Mann sie wieder an, und sie erblickte etwas Langes, Dunkles in seiner erhobenen Hand. Eine Keule.
Statt vor Angst zu erstarren oder wegzurennen, duckte sie sich und griff ihn an. Das hatte er nicht erwartet. Und ehe er sich von seiner Verblüffung erholen konnte, fuhr ihm ihre Klinge in die Kehle.
Im Fallen riß er sie jedoch mit und fiel hart auf sie. Einen Augenblick lang blieb ihr die Luft weg. Sie war hilflos, und als sie einen zweiten Schatten über sich sah, wußte sie, daß sie keine Chance hatte.
Der zweite Mann, der ebenfalls einen Umhang mit Kapuze trug, hob den Arm, um seine Keule auf ihren Kopf niedersausen zu lassen.
Sie wand sich, aber der Tote nagelte sie fest, und sie konnte nichts tun, als den Schlag zu erwarten. Kurz dachte sie an die kleine Kheem, dann sah sie, daß der Mann die Keule fallen ließ. Er ging in die Knie und umklammerte etwas, das ihm den Atem geraubt hatte.
Einen Augenblick später lag er mit dem Gesicht nach unten im Staub, tot oder ohnmächtig.
Der Mann, der über dem zweiten Angreifer stand, war klein und breit und trug ebenfalls einen Kapuzenumhang. Er steckte etwas in die Tasche, wahrscheinlich den Strick, mit dem er den Angreifer erdrosselt hatte, dann näherte er sich ihr vorsichtig. Er schien nichts in den Händen zu halten.
»Masha?« fragte er sanft.
Inzwischen war sie wieder zu Atem gekommen und arbeitete sich unter dem Toten hervor. Sie zog ihren Dolch aus seiner Kehle und stand auf.
Der Mann sprach mit fremdem Akzent. »Du kannst deinen Dolch einstecken, meine Liebe. Ich habe dich nicht gerettet, um dich anschließend umzubringen.«
»Ich danke dir, Fremder«, erwiderte sie. »Bleib aber trotzdem stehen, wo du bist.«
Trotz ihrer Warnung kam er zwei Schritte näher. Da wußte sie, wer er war. Kein anderer in Freistatt roch so nach ranziger Butter.
»Smhee«, sagte sie, ebenso sanft wie er zuvor.
Er kicherte.
»Du kannst mein Gesicht nicht sehen. _ Also werde ich, obwohl es gegen meine religiöse Überzeugung ist, ein Bad nehmen und meinen Körper und meine Haare nicht mehr mit Butter einschmieren. Ich bewege mich so leise wie ein Schatten, aber was hilft mir das, wenn mich jeder schon von weitem riechen kann?«
Sie ließ kein Auge von ihm, als sie sich bückte und ihren Dolch am Umhang des Toten säuberte.
»Bist du mir ständig gefolgt?«
Er pfiff vor Erstaunen durch die Zähne. »Du hast mich gesehen?«
»Nein, aber ich wußte, daß mir jemand nachschleicht.«
»Ah! Du hast den sechsten Sinn. Oder ein schlechtes Gewissen. Komm, laß uns gehen, ehe uns jemand hier sieht.«
»Ich wüßte gerne, wer diese Männer sind -waren.«
»Das waren Raggah«, erwiderte Smhee. »Zwei weitere warten etwa fünfzig Schritt von hier. Sie passen auf, denke ich. Bald werden sie kommen, um herauszufinden, warum sich diese beiden hier nicht mit dir sehen lassen.«
»Willst du damit sagen, daß der Purpurmagier hinter mir her ist? Warum denn?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht glaubt er, was so viele andere auch glauben. Nämlich, daß dir Benna mehr erzählt hat, als du zugibst. Aber jetzt komm! Schnell!«
»Wohin?«
»Zu dir nach Hause. Dort können wir uns doch unterhalten, nicht wahr?«
Eilig gingen sie zu ihrem Haus. Smhee blickte ständig zurück, aber die Stelle, an der sie die beiden Männer getötet hatten, war nicht mehr zu sehen. Als sie an die Haustür kamen, hielt Masha inne.
»Wenn ich jetzt nach dem Hausmeister klopfe, könnten es die Raggah hören«, flüsterte sie. »Aber ich muß
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