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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod
Autoren: Boris Meyn
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«Wenn es so war, dann ist es wohl nicht vor Zeugen geschehen   … Wir haben die Stammkundschaft bereits ausführlich vernommen. Mehrmals. Keiner will was gesehen haben. Aber die halten natürlich alle zusammen.» Hartmann schien den Begriff Sozialdemokraten in diesem Zusammenhang bewusst vermeiden zuwollen. Auch ihm war das Vorgehen der Politischen Polizei suspekt, wie er Sören vor einiger Zeit in der «Harmonie» unter vier Augen anvertraut hatte, als es um die zu erwartende Neuorganisation der Hamburger Polizei gegangen war. Sören hatte ihn aus gutem Grund nicht davon unterrichtet, dass Senator Hachmann ihm selbst die Leitung angeboten hatte, denn was die Erfahrung betraf, war Hartmann bestimmt befähigter als Sören. Aber Hartmann machte sich keine wirklichen Hoffnungen auf den Posten; zwischen ihm und seinem Dienstherrn herrschte eine nicht gerade entspannte Atmosphäre. Senator Hachmann hielt Hartmann für fachlich unfähig, da ihm die Fälle nicht zügig genug aufgeklärt wurden, und Hartmann wiederum sprach dem Senator jegliche Führungskompetenz ab, da Hachmann seiner Meinung nach allein Wert auf schöne Statistiken legte.
    «Wir gehen jedenfalls bislang davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt, der bis zur Sperrstunde gewartet hat. Wahrscheinlich war wirklich kein anderer Gast mehr in der Kaschemme. Die einzige Person, die die Tat beobachtet haben könnte, ist dummerweise verschwunden.»
    «Und das wäre?»
    «Seine Frau. Ilse Mader. Sie ist seit der Tat spurlos verschwunden. Wahrscheinlich ist sie im Rotlichtmilieu untergetaucht. Sie hat früher schon als Prostituierte gearbeitet.» Hartmann beugte sich zu Sören vor. «Ihr Spitzname war Stiefel-Elli.»
    Stiefel-Elli. Sören hob die Augenbrauen. «Könnte sie die Tat begangen haben?», fragte er.
    «Eher unwahrscheinlich», entgegnete Hartmann. «Taubmann, unser Polizeiarzt, meint zwar, theoretisch sei es denkbar, allerdings ist mir kein Fall bekannt, woeine Frau ihrem Mann ein Messer bis zum Heft in die Brust gerammt hat. Genau ins Herz. So eine Tat wirkt nicht gerade weiblich. Außerdem sind am Ledergriff der Tatwaffe so etwas wie Initialen eingeritzt.»
    Sören blickte Hartmann fragend an.
    «Ein M und ein S», erklärte Hartmann. «Ist natürlich genauso möglich, dass es sich dabei um einen Schiffsnamen handelt. Einige Dampfer tragen neuerdings diese Kennung vor ihrem eigentlichen Namen, und das Leder am Griff wurde an einigen Stellen erneuert. – Wie es auch sei, die Fahndung nach Ilse Mader läuft jedenfalls auf vollen Touren.»
    Ein M und ein S.   Sören verzog keine Miene. Es war also Marten Steens Messer. Fraglich blieb hingegen, ob er auch die Tat begangen hatte. Sören bedankte sich bei Hartmann für die Informationen, versprach, sich sofort zu melden, falls ihm irgendetwas Relevantes über den Fall zu Ohren käme, und verabschiedete sich. Es war spät genug. Seine Mutter erwartete ihn um acht zum Essen, und zuvor musste er sich noch umziehen.

Mathilda 
    14.   August
     
    M it schmerzverzerrtem Gesicht saß Sören auf der Bettkante und starrte ungläubig auf seinen rechten Fuß. Vorsichtig versuchte er, ihn in alle Richtungen zu drehen, soweit es die Schwellung über dem Knöchel zuließ. Die Zehen ließen sich noch bewegen. Es war also zumindest nichts gebrochen. Trotzdem kam er sich hilflos vor wie ein kleiner Junge. Und das ausgerechnet heute. Als er am Abend vor der Haustür seiner Mutter über die Bordsteinkante gestolpert und umgeknickt war, hatte er zwar einen ziemlichen Schmerz verspürt, das Missgeschick dann aber auf die leichte Schulter genommen. Zumindest hatte er die Heimfahrt über nichts mehr gemerkt. Das mochte am Wein gelegen haben. Er fluchte still vor sich hin. Die Schwellung war beachtlich, und er konnte kaum auftreten. Außerdem war der Fuß zum Außenriss hin hässlich blau verfärbt. Es war wohl besser, wenn sich ein Arzt die Sache anschaute. Auf einem Bein hinkte er zum Schrank und suchte nach den dicken Wintergaloschen. Mit diesem Fuß kam er nie und nimmer in seine Schuhe.
    Die Pferdebahnstation an der Rothenbaumchaussee lag zwar um die Ecke, aber in seinem Zustand kam Sören der Weg endlos vor. Wenigstens waren noch genügend Sitzplätze frei. Anfangs hatte er noch mit dem Gedanken gespielt, selbst zu fahren, aber die ersten Schritte auf der Straße hatten ihn von dieser Idee sofort Abstand nehmen lassen. Nach dem Fußweg zur Chaussee bildete sich Sören zwar ein, der Schmerz habe etwas
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