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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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entsprechende Anlage ist zwar im Bau, aber noch nicht funktionsfähig. Wenn der Erreger tatsächlich von dort   … Nicht auszumalen   … Annähernd jedes zweite Haus wäre betroffen.» Reincke erhob sich. «Martin, ich muss dringend zu Hagedorn.» Er streckte Martin die Hand entgegen und nickte Sören und Altena Weissgerber freundlich zu. «Sie entschuldigen mich bitte, aber nach dem, was Sie erzählen, ist dringender Handlungsbedarf nötig. Ich werde mich mit Hagedorn absprechen, was die Ärzte der Stadt für Maßnahmen ergreifen müssen. Ich selbst habe mich mit den Theorien Kochs nur wenig beschäftigt. Aber wenn er Recht hat, dann steuert die Stadt geradewegs auf eine Katastrophe zu.»
     
    «Das wird kaum möglich sein», meinte Martin entschuldigend, nachdem er von der Haustür zurückgekehrt war und Sören ihm sein Anliegen vorgetragen hatte. «Ich werde für ein paar Tage nicht im Hause sein. Ich habe einem Freund versprochen, ihn heute Abend zu einem Empfang zu begleiten. Danach werden wir für ein paar Tage an die Ostsee fahren.»
    Es war das erste Mal, dass Martin Sören gegenüber von einem Freund gesprochen hatte. Nach dem Gespräch, das sie vor kurzem geführt hatten, konnte sich Sören schon ausmalen, um was für eine Art Freund essich handeln musste. Dennoch fiel es ihm schwer, sich Martin in trauter Zweisamkeit mit einem anderen Mann vorzustellen. Während er darüber nachdachte, welche Möglichkeiten es noch gab, Altena Weissgerber unerkannt unterzubringen, bemerkte er, dass Martin schwarze Lackschuhe trug. An sich war das nicht ungewöhnlich, wenn man von den Temperaturen einmal absah, denn Martin achtete stets auf ein gepflegtes Äußeres. Aber es waren nicht allein die Schuhe. Er hatte auch eine umschlaglose schwarze Hose an, wie man sie normalerweise nur zum Frack trug. Die passende weiße Weste hing ordentlich drapiert über einer Stuhllehne am Esstisch.
    Für einen Theater- oder Opernbesuch war Martins Aufmachung eindeutig zu festlich. Außerdem hatte er von einem Empfang gesprochen. Frack und Zylinder trug man hingegen nur bei offiziellen Feierlichkeiten, und eine Eröffnung oder ähnlich opulente Zeremonien standen in der Stadt nicht an, das hatte Sören bei seinen Recherchen zum heutigen Tag bereits eruiert. «Darf ich fragen, wo du heute hingehst?»
    «Ein kleiner Empfang», entgegnete Martin und warf Sören ein vielsagendes Lächeln zu.
    «Die Garderobe   …»
    «Unter den geladenen Gästen befindet sich eine Person, deren Stand eine gewisse Aufmachung rechtfertigt», warf Martin ein, bevor Sören seinen Satz zu Ende gesprochen hatte. Dann wiesen seine Blicke in die Richtung Altena Weissgerber, die etwas abseits stand. Wie es aussah, wollte Martin keine konkreteren Angaben machen, solange sie nicht unter sich waren.
    In diesem Moment überkam Sören eine furchtbare Ahnung. Er wagte es kaum, seinen Gedanken zu Endezu bringen. «Wer?», fragte er, ohne Martins unausgesprochene Bitte zu berücksichtigen.
    «Eine hochgestellte Persönlichkeit», antwortete Martin ausweichend. «Aber sie reist völlig inkognito.»
    Sören blickte ihn entsetzt an. «Wer?», wiederholte er seine Frage.
    Martin blickte Sören vorwurfsvoll an. «Aus Berlin», sagte er schließlich. «Sehr hochgestellt. Kannst du dir nicht denken, von wem ich spreche? Es ist die Eröffnung eines neuen Ballsaals in einem Haus   … zu dem   …» Er lief rot an. «Zu dem nur bestimmte Herren Zutritt haben.» Schließlich formten seine Lippen zwei Silben, die Sören eindeutig als
Wil-helm
identifizieren konnte.
    «Der 22.   August!» Sören schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. «O verdammt! Jetzt geht mir ein Licht auf! Wann erwartet man den Gast aus Berlin?»
    «Um acht Uhr ist der Empfang angesetzt», antwortete Martin und schaute Sören verdattert an.
    Sören blickte zur Uhr. «Dann bleiben uns nur noch ein paar Stunden. Hast du die Adresse dieses Hauses?»
    Martin nickte. «Kannst du mir mal sagen, was los ist?»
    «Unterwegs!», zischte Sören. «Wir müssen zu Hartmann. Ernst Hartmann von der Criminal-Polizei. Ich kann nur hoffen, dass er in seinem Büro ist. Kommt! Wir müssen uns beeilen!»
     
    Mit Martins Zweispänner wären sie deutlich bequemer gefahren, bot der Wagen doch mehr als zwei Personen Platz, aber die Droschke stand unangespannt in der Remise, und Sören hatte entschieden darauf verwiesen, dass es auf jede Minute ankäme. Zuerst hatten sie Altena Weissgerber deshalb bei Martin lassen

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