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Der blaue Tod

Der blaue Tod

Titel: Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Meyn
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war.
    Sie zuckte mit den Achseln. «Warum sollte ich? Vielleicht sind sie tot, vielleicht wollten sie mich nicht, oder sie konnten sich nicht um mich kümmern   …»
    «Die Verbindung, der Sie entstammen, war nicht rechtens. Deswegen hat man Sie gleich nach der Geburt als Kostkind zu einer Landamme gegeben. Zu Inge Bartels. Und derjenige, der dafür die Verantwortung trägt, trachtet Ihnen wahrscheinlich nach dem Leben.»
    Altena Weissgerber blickte ihn überrascht an. «Aber warum?»
    «Ihr rechtmäßiger Familienname ist in der Stadt nicht ganz unbekannt», antwortete Sören.
    «Wie lautet er? Wie heiße ich wirklich?»
    Sören schüttelte den Kopf. «Es ist besser, wenn Sie das im Moment nicht wissen. Diese Inge Bartels, Ihre Ziehmutter, erpresst Ihren Vater jedenfalls.»
    «Er ist verheiratet. Wer ist er?»
    «Nein, das ist es nicht. Ich werde es Ihnen erklären, wenn man Inge Bartels gefasst hat. Die Polizei fahndet bereits nach ihr.» Sören überlegte, ob es wirklich schlau war, Altena Weissgerber bei sich zu Hause zu verstecken. Vielleicht hatte Johanna von Wesselhöft ihrem Bruder gegenüber seinen Namen erwähnt. Dann wäre es für Gunnar Smitten ein Leichtes, sein Opfer ausfindig zu machen, Sören konnte schließlich nicht den ganzen Tag auf sie aufpassen. Eine andere Möglichkeit war es, sie Mathilda anzuvertrauen, was allerdings bedeutete, dass sich Mathilda die Zeit über nicht bei ihm aufhalten würde. Und wenn er David morgen in die Feldbrunnenstraße holen würde, musste jemand im Hause sein. Außerdem arbeitete Mathilda heute bis zum späten Abend; da wollte er sie nicht ungefragt vor vollendete Tatsachen stellen. Also musste Martin herhalten. Martins Haus war groß genug, und so, wie Sören seinen Freund kannte, würde er nichts dagegen haben, dass Altena Weissgerber so lange bei ihm blieb, bis die Gefahr gebannt war. Von der Rothenbaum Chaussee bog er in die Johns Allee ein und lenkte den Wagen über den Mittelweg in die Alte Rabenstraße. Altena Weissgerber staunte nicht schlecht, als er in die Auffahrt zu Martins Villa einscherte.
     
    Martin war nicht alleine. Er hatte Besuch von Dr.   Johann Julius Reincke, einem befreundeten Arzt. Dennoch bat er die beiden natürlich herein, nachdem ihm Sören zu verstehen gegeben hatte, dass es wichtig sei.
    Reincke war etwas älter als Sören. Er kannte ihn flüchtig aus der «Harmonie», wo er ihm ein- oder zweimal in Begleitung von Martin begegnet war. Da Sören in Anwesenheit von Reincke sein Problem nicht erörternwollte, stellte er Altena Weissgerber als eine Mandantin von sich vor, was ja auch nicht gelogen war.
    Überrascht nahm er zur Kenntnis, dass Reincke und Martin sich zuvor anscheinend über das unterhalten hatten, was auch Sören seit Tagen unter den Nägeln brannte: die inzwischen unübersehbare Häufung von Cholerafällen in der Stadt. Zumindest wurde das Thema wieder aufgegriffen, nachdem man sich gesetzt hatte. Reincke hatte als praktizierender Arzt bereits mehrere Erkrankte eingewiesen und machte sich riesengroße Sorgen, wie er bekundete. Umso erstaunter war er, als Sören erklärte, dass man den Erreger in Eppendorf endlich isoliert hätte.
    «Woher wissen Sie das?»
    «Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus. Dort herrschen Zustände   …» Sören suchte nach Worten. «Sie machen sich keine Vorstellungen. Dr.   Rumpf sagte mir, allein heute habe man weit über 300   Kranke aufgenommen.»
    «Sie haben mit Rumpf gesprochen?»
    «Ja. Ein Kollege von ihm, Fraenkel ist sein Name, hat den Bazillus heute Nacht isolieren können. Seiner Meinung nach reicht das als Nachweis der asiatischen Cholera aus. Rumpf steht bereits im Kontakt mit Robert Koch.»
    Reincke schüttelte den Kopf. «Das ist unfassbar. Seit Tagen reden wir Ärzte auf Kraus ein   … Aber der Mann ist ein sturer Hund. Von einer Epidemie will er nichts hören. Der Kollege Hagedorn will das Verhalten des Medicinalrates bei der nächsten Bürgerschaftssitzung zur Sprache bringen.»
    «Dr.   Rumpf ist der Ansicht, der Erreger würde sich über das System der Trinkwasserleitungen verbreiten»,erklärte Sören. «Aber davon will Hachmann als zuständiger Senator nichts wissen. Er glaubt nicht an Kochs Theorien.»
    «Über das Leitungswasser?» Reincke nickte nachdenklich. «Das würde erklären, warum die Kollegen aus Altona bislang noch keine Probleme haben. Dort hat man für das Trinkwasser eine Sandfilteranlage gebaut. In Hamburg gibt es bisher nur Klärbecken. Eine

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