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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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ich zuerst, doch bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass es Seide ist.
    »Du!«
    Älter, feister, aber er ist es.
    »Da bist du ja, du Feigling!«
    Er tut so, als hätte er mich nicht gehört, und ruft, er sei ein Helfer des Gottes Neptun und habe die Ehre, mir einen anderen Namen zu geben, da ich zum ersten Mal in meinem Leben über den Äquator gefahren sei.
    »Ich will keinen anderen Namen«, schreie ich und stoße ihn über Bord, weil ich ahne, dass er mich fragen will, wie ich denn heiße, und ich mich verraten würde, weil ich die Antwort nicht kenne.

20
    Das ist eine Überdecke. Weicher Stoff, kleine Quadrate, wie heißt so was, Waffeln? Seit wann bin ich hier? Nicht zu Hause. Und auch das ist nur ein Wort. Wo ist zu Hause? Und wo ist hier? Hier, das ist ein Raum, der winzig klein oder unermesslich groß sein kann. Keine Fenster oder Türen. Was sind das für Geräusche? Hohe Töne. Worte. Es knackt. Ich bin nicht allein.
    Eine Frau – eine andere als die Frau, die ich vorhin gesehen habe, so viel ist mir immerhin klar – nimmt meine Hand und stellt mir eine Frage. Leicht vorgeneigt wartet sie meine Antwort ab. Ihr Gesicht kommt mir bekannt vor. Wo ich bin? Sagen Sie es mir, bitte. Ich habe wirklich keine Ahnung.
    »Meneer Jacobson«, flüstert sie, »Sie sind im Krankenhaus.«
    Meneer Jacobson?
    Ich hieve mich ein wenig hoch, lege den Kopf zur Seite und sehe einen durchsichtigen Schlauch, der unter der Decke hervorkommt, sich über die Bettkante schlängelt und aus meinem Blickfeld verschwindet. Dunkelgelbes Zeug wird durchgespült. Ich schließe die Augen.
    Wo war ich, bevor ich …? Es gab da einen anderen Ort, einen anderen als diesen. Weit weg von hier.
    Ich ging durch einen Gang, einen Gang, der endlos lang zu sein schien, aber trotzdem irgendwo endete, und stieß auf einenvon hohen Mauern umgebenen Platz. Hinter mir näherten sich Stimmen. Schritte hallten durch den Gang. Ich ging zur Mauer, kletterte hinüber und landete auf der Wiese gleich neben dem Nilpferdgehege.
    Ich entdeckte meine Freunde. Sie hatten auf mich gewartet. Ihren Anführer. Den Größten und Stärksten. Ich nahm den Fußball in beide Hände und schoss ihn in die Luft. Dann stieß ich mich ab und flog hinterher, drehte eine Runde über Artis, dem Zoo. Ich sah die Randbezirke der Stadt, die Rundung der Erde, einen Ball, unseren Ball, einen Punkt, ein Pünktchen, und weg war ich.

21
    Jemand fragt, wozu das gut sei. Es hat etwas mit mir zu tun. »Das« ist etwas, was mich mit etwas anderem verbindet. Ich spüre es an meinem Arm. »Das da …«
    Aua.
    »… Wozu ist das gut? Sind das Nährstoffe oder so?«
    »Nicht anfassen, Walter.«
    »Nein, nur Flüssigkeit mit etwas Zucker und Salz. Damit Meneer nicht austrocknet.«
    Meneer, das bin ich. Ein Körper, dem etwas fehlt. Sie mustern mich, wollen alles Mögliche wissen. Ich kann ihnen nichts sagen, ich weiß nichts. Mühsam versuche ich, die Augen zu öffnen. Verklebt vom Schlaf. Der muss weg.
    »Schau mal, er wacht langsam auf. Was für wunderschöne blaue Augen!«
    »Wie fühlen Sie sich, Meneer Jacobson? Nein, tun Sie das nicht … Bleiben Sie ganz ruhig liegen. Hören Sie mich, Meneer Jacobson?«
    Was macht sie da? Und warum spricht sie so komisch? Ich versuche mich zu erinnern, wie sie klingen sollte. Ihre Stimme ist da, irgendwo in den Höhlen meines Kopfes. Dort hinein gehe ich und finde die Worte, die sie zurückgelassen hat. Wie Stalaktiten hängen sie von der Innenseite meiner Schädeldecke. Ich brechehier und da ein paar ab, schüttle sie, doch es ertönen nur unverständliche Laute.
    Wie klingt Mamas Stimme? Wahrscheinlich so, wie die Ingwerschnecke von Blom schmeckte. Maison Blom, koschere Feinbäckerei und Chocolaterie! Na bitte, ich weiß es noch. Alles in Ordnung mit meinem Gedächtnis. Ach, schau mal, wie schön, es gibt sie noch! Sag bloß, was ist das denn für eine Riesenschüssel, gibt es hier was zu feiern? Ich nehme mir eine. Zerreiße den klebrigen Teig, beiße ein Stück Ingwer entzwei … Nein, das ist doch etwas anderes. Was habe ich da im Mund? Warum sehen die mich nur so an?
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir passen gut auf ihn auf.«
    Wo ist Mama?
    »Wir passen gut auf Sie auf, Meneer Jacobson, habe ich gesagt.«
    Wo ist sie denn bloß abgeblieben?
    »Dann können wir ja wieder gehen, Sonja.«
    »Lass uns noch ein bisschen bleiben.«
    Komm zurück.
    »In dieser Phase ist es sehr wichtig, dass Meneer bekannte Gesichter sieht. Da hat Ihre Frau schon

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