Der blaue Vogel kehrt zurück
Taufnamen des Schiffes – Ebro und Princesa Olga – und bemerkte beiläufig, das große mittelalterliche Gebäude, das ich steuerbords gesehen hätte, als wir in Lissabon ausliefen, heiße Mosteiro dos Jerónimos.
Dieses Spiel setzten wir fort, bis wir uns über alle Details der Überfahrt ausgetauscht hatten.
Mit diesen Geschichten bereitete ich dem Arzt eine große Freude, doch ich wusste, dass er sich nach mehr sehnte; dass er mehr in die Tiefe gehen wollte.
Saudade , Azulão, saudade!
Augusto war ein Schwärmer, ein Melancholiker. Wenn er nach der zweiten oder dritten Flasche Bier auf cachaça umstieg – eine Rumsorte, die mir beinahe die Eingeweide zerfetzte –, wurde seine Stimme einige Oktaven tiefer und das, was er zu sagen hatte, wirrer. Der Kern seiner Geschichte war immer derselbe: Sehnsucht.
Manchmal konnte er sein Verlangen in Worte fassen. Dann wünschte er sich, seinen verstorbenen Vater wiederzusehen, noch einmal in den Armen seiner Mutter zu liegen oder den ersten Kuss seiner Frau auf den Lippen zu spüren. Häufiger fehlten ihm aber die Worte, um auszudrücken, was er fühlte, und er fasste seinen Versuch mit schwerer Zunge und der französischen Floskel »Je ne sais quoi« zusammen. Anschließend stürzte er sich mit größerem Erfolg auf die Umschreibung des Gemütszustandes seiner Gesprächspartner.
Er sprach von fernen Ländern, Gegenden in Übersee und der Diaspora. Er verwendete Wörter wie »emptiness«, »tragic« und »loss« und sah dabei furchtbar gequält aus. Sein Mitgefühl war so groß, dass ich mich für meine Sachlichkeit fast schämte. Ich sagte, es habe keinen Sinn, zurückzublicken. Ob ich das damals wirklich so meinte, weiß ich nicht mehr, aber zweifellos habe ich mit einer Entschiedenheit, die zu meinem Alter passte, behauptet, die Vergangenheit sei ein bodenloser Abgrund und die Zukunft ein gähnendes Loch, in dem alles verschwinde.
Mein »we live now« klang wahrscheinlich genauso pathetisch wie seine »good old days«, doch trotzdem nahmen wir uns am Ende immer in die Arme.
39
An dem Tag, an dem ich mir vornahm, meine Diamantensuche einzustellen, um an Nanas Stelle bei dem Bauern zu arbeiten, schlug Nana mir vor, Benedito zu fragen, ob er nicht vielleicht jemanden kenne, der mir behilflich sein könne. So lernte ich seinen Vetter Naki kennen.
Naki, sagte Benedito, habe nicht alle Tassen im Schrank, doch er würde die Gegend wie seine Westentasche kennen und mich – wenn ich seiner Familie ein paar cruzeiros gäbe – an Orte bringen, die mir entgangen waren.
Ich bat Nana, noch ein Jahr durchzuhalten, und gab ihr die idiotischsten Versprechen – danach keinen Fuß mehr aus Serro herauszusetzen, für immer ihr Sklave zu sein –, weil ich überzeugt war, dass mein Plan diesmal von Erfolg gekrönt sein würde.
Naki war ein kräftig gebauter, immer zum Lachen aufgelegter Mann, der mich in seinem fünfzehn Jahre alten Ford A Pick-up zu einem Seitenarm des Rio São Francisco brachte, um sich dort, wie ein Kind vor mir herhopsend, auf die Suche nach meinen ersten Steinen zu machen.
Nach etwa einer halben Stunde Fußweg gelangten wir zum Fluss. Naki sprang schnurstracks hinein. Das Wasser reichte ihm bis zur Taille. Ich folgte seinem Beispiel und wartete auf Anweisungen.
»Olhe«, sagte Naki.
Er legte den Zeigefinger unter ein Auge und drehte den Kopf übertrieben von rechts nach links. Erst als ich hineintappte, begriff ich, wonach wir Ausschau halten sollten. Fluchend, weil ich mir den Fuß verletzt hatte, stand ich in einer Kuhle am Flussgrund.
Naki bedeutete mir, dass ich dort schöpfen müsse. Wir füllten unsere Eimer mit einem Gemisch aus grobkörnigem Sand und Steinen, das wir anschließend in eine batea , eine hölzerne Waschpfanne, schütteten. Wir ließen Wasser darüberlaufen und wuschen so den Sand und Lehm aus, übrig blieb das Mineral. Manchmal sah ich etwas aufleuchten, als würde Licht eingeschaltet werden. Meistens waren es gewöhnliche Kieselsteine. Ab und zu musterte Naki ein paar größere, matte Steine unter der Lupe und warf sie anschließend über die Schulter zurück ins Wasser.
Wir arbeiteten, bis der Abend anbrach, machten ein Feuer, kochten eine einfache Mahlzeit und schliefen auf der Ladefläche des Ford. Am nächsten Vormittag arbeiteten wir ein paar Stunden und fuhren dann zurück nach Serro. Die ganze Zeit über wechselten wir kaum ein Wort. Ich bin nie dahintergekommen, ob Naki überhaupt ganze Sätze bilden konnte. Manchmal
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