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Der blaue Vogel kehrt zurück

Der blaue Vogel kehrt zurück

Titel: Der blaue Vogel kehrt zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arjan Visser
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summte er das Lied vom azulão , wahrscheinlich, weil er gehört hatte, dass Nana mich so nannte.
    Fünf Monate vergeblicher Suche konnten seiner guten Laune nichts anhaben. Er machte sich nichts aus meinen Zweifeln und ignorierte meine Aufforderungen, es ruhiger angehen zu lassen, doch meine Hoffnung auf Erfolg schwand allmählich.
    Bis Naki an einem Freitagnachmittag, am Tag vor meinem sechsundzwanzigsten Geburtstag, drei oder vier größere Steine, die ich ihm gegeben hatte, eingehend betrachtete und dann einsteckte.Ich weiß noch, wie ich versuchte, an seinem Gesichtsausdruck abzulesen, ob sie wohl wertvoll sein könnten, doch er hob sich alles, sowohl die Funde als auch seine Freude darüber, für später auf, wenn der Arbeitstag vorbei war.
    Ich zog mir gerade die Stiefel aus, da hörte ich ihn »Diamante, diamante!« rufen, als hätte er sie eben erst gefunden. Noch merkwürdiger war es, als ich merkte, dass es ebendiese unansehnlichen Steine waren, über die er sich so freute.
    »Pedras«, sagte ich. Steine. Weil ich das passende Adjektiv nicht kannte, zuckte ich die Achseln. Ganz gewöhnliche Steine. Nichts Besonderes.
    »Não!«, berichtigte mich Naki streng. »Pedras de felicidade!«
    Felicidade? Ob er wohl lucky stones meinte, im Gestein verborgene kleine Diamanten, über die ich die Schleifer bei Asscher gelegentlich hatte reden hören? Ich konnte es kaum glauben.
    Im Auto, auf der Rückfahrt nach Serro, sagte Naki: »Velho chico!«, und schlug mir auf den Rücken.
    Nana sagte später, Beneditos Cousin habe mich seinen alten Freund genannt, doch Augusto war sich sicher, dass Naki den Spitznamen des Flusses gemeint hatte.
    »Velho chico!«
    Ich lächelte bloß.
    Zu Hause, in Serro, warf er die Steinchen achtlos auf den Tisch. Er schien das Interesse an ihnen bereits wieder verloren zu haben. Als ich ihm vorschlug, am nächsten Tag mit mir nach Diamantina zu fahren, um einem Schleifer den Fund zu zeigen, drückte er mir schnell seine Autoschlüssel in die Hand, als hoffte er, dass ich mich damit zufriedengäbe. Er schien nicht zu verstehen, dass ich den Erlös mit ihm teilen wollte. Je mehr ich darauf drängte, desto misstrauischer wurde er. Erst als ich ihn Ruhe ließ, lachte er wieder.
    Nana wollte mich gern begleiten. Diesmal rutschte ich hinters Steuer, während sie sich auf meinem Platz niederließ. Der Pickup setzte sich mühsam in Bewegung. Nana schälte Äpfel und ich pfiff Lieder. Sie fütterte mich mit Schnitzen und ich küsste ihr die Hände. Nachdem der Ford mühsam einen Hügel erklommen hatte, sauste ich sozusagen zur Belohnung ohne zu bremsen oder Gas zu geben hinunter.
    Ein Diamantschleifer in der Rua das Mercês öffnete die Steine an zwei Stellen. So konnte ich einen Blick auf unser Vermögen werfen. Mit dem, was ich da sah, wäre ich in der Lage, ein Haus zu kaufen, vielleicht sogar mehr als das, und Naki, den Mann, der Diamanten aufspürte wie Schweine Trüffeln, in Dienst zu nehmen.
    Der Schleifer beglückwünschte mich überschwänglich. Aus den Augenwinkeln sah ich, was für einen zufriedenen Blick Nana mir zuwarf. Als hätte sie sich das ganz genauso ausgemalt und würde sich einfach nur freuen, dass alles nach Plan verlief.
    Mein größter Fund, einige Jahre später, ergab sich völlig überraschend. Wenn ich bei meiner Geschichte ein paar Zeilen umschreiben dürfte, würde ich Naki auf dieser Seite einen Augenblick Unachtsamkeit andichten. Wäre es nicht besser gewesen, wenn er sich mit seinem großen Stiefel auf den Stein gestellt und ihn in den Grund des Rio São Francisco zurückgedrückt hätte? Darüber grübelte ich immer wieder nach, aber nie zu lange, weil ich es vorzog, mich zu beherrschen, als mich von meiner Fantasie mitreißen zu lassen. Alles hängt davon ab, wie man eine Sache betrachtet.
    An jenem Tag jedoch, am 26. April 1947, fand ich mein Leben unvorstellbar schön. Ich war in Brasilien, hatte gefunden, wonachich suchte. Es war eigentlich bloß ein Katzensprung, doch mit Nakis Ford brauchten Nana und ich endlos lange von Diamantina bis nach Serro. Einmal hielten wir am Wegesrand an, um uns zu beweisen, wie sehr wir uns liebten, und ein anderes Mal, um an einem Straßenstand eine Flasche Bier zu kaufen.
    Auf den letzten Kilometern lehnte Nana den Kopf an meine Schulter.
    »Vai, Azulão«, sang sie, »Azulão, companhero, vai.«

40
    Um acht Uhr bekomme ich Frühstück. Immer dasselbe, ein dunkles Brötchen mit Käse. Angeblich habe ich selbst darum gebeten. Die

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