Der blaue Vogel kehrt zurück
einer Schatzkarte, Diamanten finden würde. Stattdessen fuhr ich einfach drauflos, in alle Himmelsrichtungen, fragte hier und da nach dem Weg und stieß manchmal sogar selbst durch Zufall auf eine günstige Stelle, um ein Flussbett zu durchkämmen. Der einzige glänzende Stein, den ich fand, stellte sich jedoch als eine in dem Kies am Grund des Flusses glatt geschliffene Glasscherbe heraus.
Während ich träumend durchs Land zog, fand Nana am Rand der bewohnten Welt ein Haus für uns, mit einem wundervollen Blick auf die Berge. Sie half ein paar Stunden pro Woche in derApotheke von doutor Augusto aus und führte einem alten Bauern, den ich nur bei seinem Vornamen Benedito kannte, den Haushalt.
Sobald ich mit der Indian angefahren kam, ließ Nana alles stehen und liegen – »Azulão!« –, stürzte nach Hause und zog mich hinter sich her nach drinnen, zum Bett, wo wir übereinander herfielen, als hätten wir jahrelang auf die Liebe verzichten müssen.
So lebten wir, einfach und glücklich. Wir zimmerten unseren Haushalt zusammen – mit Vereinbarungen und Gewohnheiten, Liebhabereien und kleinen Macken. Mir gefielen ihre Spielchen: das des kleinen Mädchens und das der koketten Frau. In Gesellschaft war Nana immer die Schönste. Nicht einmal Lia, eine reizende Erscheinung, die am Ende jedes Essens mit mir flirtete, konnte ihr das Wasser reichen.
Ein Jahr nachdem ich die Indian vor der Santa Rita geparkt hatte, heirateten wir dort. Unsere Hochzeitsreise führte uns, auf exakt derselben Strecke wie auf dem Hinweg, zurück nach Tapirama.
Das Fest feierten wir im Haus von Nanas Eltern. Ich brauchte keinen Dolmetscher mehr, um Carlos zu verstehen. Durch die Heirat mit seiner Tochter war ich in seinen Augen zum Landsmann geworden. Mit einer ausholenden Armbewegung deutete er an, wo meine Zukunft lag – »Viva o Brasil!« –, und später, als wir beide zu viel getrunken hatten, zeigte er mir mit beiden Händen vor dem Bauch, was er sich noch dazu vorstellte.
Ein paar Jahre nach dem Fest sollte ich ihm, genauso beschwipst, erzählen, ich könne nicht dafür sorgen, dass er Großvater würde. Eine Neuigkeit, die er mit derselben Gelassenheit aufnahm wie alles andere, was seinen Pfad kreuzte: Es ist, wie es ist.
Carlos blickte immer nur nach vorn.
Mein Leben vor Brasilien interessierte ihn nicht sonderlich. Er wusste, dass in Europa ein Krieg wütete, und er glaubte mir auch, als ich Nana bat, zu erklären, dass Juden dort kein leichtes Leben hatten. Doch ich nehme an, die Geschichte des Abenteurers, des jungen Mannes, der in einer mächtigen Staubwolke in das Leben seiner Tochter hineingebraust war, gefiel ihm besser.
Augusto de Farias war neugieriger. Im Geist war er ein Weltenbummler, obwohl er sich am liebsten in seinem Garten aufhielt. Die Entfernungen, die er zurücklegte, berechnete er in Zeilen, nicht in Kilometern. Er las alles Mögliche, und wenn eine Geschichte ihn packte, schickte er eher einen Patienten nach Hause, als dass er sein Buch für eine Weile beiseitegelegt hätte.
Bei unserer ersten Begegnung fragte er mich, was ich von Hitler und dem Dritten Reich hielte. Ich antwortete ihm wahrheitsgemäß, dass Politik mich nicht interessierte, doch um seine Neugier auf andere Länder wenigstens ein bisschen zu stillen, erzählte ich ihm dieses Mal und in den folgenden Jahren mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder von meiner Reise nach Brasilien.
Am liebsten hörte er die Geschichte von meiner neunzehntägigen Fahrt auf der Serpa Pinto von Lissabon nach Salvador. Er drängte mich, ihm so viele Details wie möglich zu erzählen, und machte sich einen Sport daraus, meine Geschichte mit Informationen zu ergänzen, die er zwischen unseren Treffen in der Bibliothek ausgegraben hatte. So wusste er, als ich sagte, wir hätten bei einer Insel vor der brasilianischen Küste angelegt, dass es sich um die Ilha dos Flores handelte, und ein paar Wochen nachdem ich ihm erzählt hatte, ich hätte in einer Hängematte aus Segeltuch im Schiffsbauch geschlafen, teilte er mir mit, er habe begriffen, dass ich mir keine der hundertdreizehn Kabinenin der ersten Klasse habe leisten können und dass auch eine der zweihundertachtzig Kajüten zweiter Klasse vielleicht etwas zu teuer gewesen wäre, doch glücklicherweise habe ich ja in einer der hundertdreißig Kojen dritter Klasse unterkommen können.
Als ich sagte, der Name des Kapitäns sei Américo dos Santos gewesen, übertrumpfte mich Augusto mit dem ersten und zweiten
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