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Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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bäuerliche Naturgesetz anpassen konnte. Sie billigten auch seine Wahl einer frühen Morgenstunde, wodurch die Teilnehmer instand gesetzt waren, ungestört an ihr Tagewerk zu gehen.
    Das Geheime an der Sache hielt die Dörfler natürlich nicht davon ab, schon um Mitternacht dem Wirtshaus zuzustreben. Einige Leute bezogen schon früher am Abend Stellung in der Nähe der Fenster, um garantiert eine gute Sicht zu haben. Andere hatten Stühle und Schemel mitgebracht, während die Kinder auf den Schultern ihrer Väter saßen und Majdud und Hajdud beneideten, die das Glück hatten, alles durch das Schlüsselloch der Küchentür mitansehen zu können. Der
    Ausgang des bevorstehenden Zweikampfes war umstritten. Einige behaupteten, der Schuster sei größer und schwerer, während andere meinten, seine Lahmheit sei ein Nachteil, und die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn auf die Festigkeit der Gemeindekörperschaft des Barbiers lenkten.
    Der Speisesaal des Wirtshauses, von einem Dutzend Kerosinlampen erleuchtet, war selbst durch die Fenster ein prachtvoller Anblick. Elifas Hermanowitsch und seine Frau hatten sich lobenswert bemüht, den Raum auf Glanz zu bringen. Auf die Bitte des Ingenieurs hin hatten sie an einem Ende des Saals einige umgestülpte Holzkisten und auf dieses provisorische Podium den Präsidialtisch gestellt. Außerdem verteilten sie auf dem Tisch Gläser, Obstsaft, Kuchen, Zettel, Bleistifte und sogar einen mittelgroßen Hammer - mit Empfehlungen vom Schuhflicker. Ein breiter, von Nelken umrahmter Streifen Packpapier hing über dem Podium. Darauf stand in riesigen roten Buchstaben eine Schlagzeile, die der Herr Ingenieur verfaßt hatte:    »E ine gesunde
    S tadtverwaltung - G rundlage E iner gesunden R egierung . Z vi G rinstein .« Das Spruchband setzte lebhafte Argumente der Menschenmenge in Gang, weil es nicht ganz klar war, warum dieser Zvi Grinstein die Grundlage der Regierung sein sollte, wenn man bedachte, daß keiner dieses Namens im Dorf lebte.
    Die streitenden Parteien kamen nacheinander zum Wirtshaus und wurden von der Menge begeistert empfangen. Zuerst kam der hinkende Schuhflicker, der einen schwarzen Festanzug trug. Er zerrte eine in einen Mantel gewickelte Gestalt mit geschlossenen Augen hinter sich her, die sofort an dem nächstgelegenen Tisch niedersank und einschlief. Nach der von einem Ohr baumelnden Brille und der gelben Aktentasche in der einen verkrampften Hand zu schließen, so rechnete sich die Menge aus, muß das der Krankenwärter des Ingenieurs sein. Nach ihm traf der Schächter ein, den Kopf mit einem ungewöhnlich großen und dekorativen Käppchen bedeckt. Er wurde mit besonderen Hochrufen von den Schulkindern begrüßt, die sich freuten, ihren Lehrer zu sehen. Der dritte Mann war zur Überraschung der Menge ein kleines Individuum plumpen Schrittes, namens Ofer Kisch, der Dorfvagabund, den Dulnikker nach dem vergeblichen Versuch, den Vater des Schuhflickers zu organisieren, >in tiefstem Elend< entdeckt hatte. Ofer Kisch war Schneider von Beruf, da jedoch seit Jahren niemand Schneiderarbeit bestellt hatte, war der arme landlose Kerl gezwungen gewesen, sich sein Leben als Amateurspaßmacher bei Hochzeiten und als Totengräber zu verdienen. Angesichts letzterer Funktion verursachte sein Erscheinen im Wirtshaus, was den Ausgang des Kampfes betraf, eine ziemliche Bewegung im Publikum. Als letzter kam der Barbier in Begleitung seiner Frau, die - da die Einladung an Einzelpersonen gerichtet waren - offiziell zur Privatkrankenschwester ernannt worden war. Beide betraten das Wirtshaus hastig und gespannt.
    Alle Räte saßen um den Saal herum, hatten keine blasse Ahnung, was vor sich ging, und kraulten die Katzen, die zwischen ihren Beinen herumwanderten. Es war ihnen allen schwergefallen, ihre Schläfrigkeit zu bekämpfen, daher waren sie erleichtert, als Elifas auftauchte und den Ingenieur mitschleppte. Dulnikker taumelte die Treppe hinunter, ebensosehr von seiner Verkühlung wie von seinem Schlafmangel bedrückt. Der Staatsmann war schrecklich müde, bezog aber Trost vom Anblick seines Krankenwärters: Verglichen mit dem Aussehen des halbtoten jungen Mannes sah Dulnikker geradezu energiegeladen aus. Der Staatsmann befriedigte seinen Wunsch nach Rache, weil sich sein Verhältnis zu Zev dank eines kurzen Gesprächs besonders abgekühlt hatte. Dulnikker hatte seine rechte Hand gefragt, ob er von Anfang an gewußt habe, daß der Alte, der im Hintergrund der Schuhflickerwerkstatt dahinmoderte,

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