Der Blaumilchkanal
plumpe Erscheinung ihres korpulenten Gastes höchst erfreut.
Draußen trat einer der Würdenträger aus der Besuchergruppe hervor, blieb in respektvoller Entfernung vor Dulnikker stehen und schrie ihn an: »Wir sind heute hierher gekommen, in das Dorf Kimmelquell, um Ihnen, Amitz Dulnikker, die Grüße der Nation zu überbringen, die Grüße der Regierung, die Grüße der Institution, die Grüße der Fonds und die Grüße der Partei. Wir sind heute hergekommen, Amitz Dulnikker; wir sind hergekommen in der Hoffnung, daß Sie sich im Dorf Kimmelquell erholt haben, daß Sie sich erholt haben und Ihre Kräfte wieder der Nation zur Verfügung stellen können, zur Verfügung der Regierung, der Institution, der Fonds und der Partei. Wir sind heute hergekommen, Amitz Dulnikker ...«
Der Sprecher der Abordnung hatte seine Rede kaum in das Windelstadium bekommen, als Dulnikker Kindesmord beging. In seinem ganzen Leben hatte der Staatsmann noch nie bereitwillig die Idioten geduldet, »die ihre endlosen Phrasen tausendundeinmal wiederholen wie zurückgebliebene Papageien«. Obendrein waren die beiden >Würdenträger< Anhänger Shimshon Groidiss’, und gleich von ihrem politischen Debüt an war das Verhältnis des Staatsmannes zu ihnen von gegenseitiger Verabscheuung gekennzeichnet gewesen. Dulnikker war mehr als nur leicht verärgert, daß ausgerechnet diese beiden zu seiner Begrüßung entsandt worden waren.
»Danke, liebe Genossen«, unterbrach er den Sprecher herzlich. »Ich schätze die Beredsamkeit eurer Begrüßung, glaube jedoch, daß ihr von eurer äußerst ermüdenden Reise erschöpft sein müßt und eines nahrhaften Mahls und eines gesunden Mittagsschläfchens mehr bedürft als langer, langweiliger Reden. Dennoch - bevor ich meine Worte in wenigen Augenblicken damit beende, daß ich eure Hände in die meinen nehme und euch mit >Willkommen, Genossen< begrüße, möchte ich euch nur mit einem Minimum an Worten
- im Telegrammstil - über die Entwicklung dieses Dorfes während meines Aufenthaltes erzählen ...«
Der Staatsmann hatte aufrichtig vorgehabt, der Abordnung vorzuführen, wie es tatsächlich möglich ist, eine Feierlichkeit mit einigen wenigen treffenden Bemerkungen zu konzentrieren und zu beenden. Inzwischen verfing er sich jedoch in einer Erörterung der Entwicklung der Handelsmarine, aus der es ihm nicht gelang, sich herauszuwinden, bis er eine Telegrammrechnung im Wert von 7500 Dollar für eine halbe Million Wörter zustande gebracht hatte. Inzwischen fiel ein Reporter, der im Gegensatz zu Dulnikker nicht an die Hitze gewöhnt war, in Ohnmacht und maß den Boden Kimmelquells vom Scheitel bis zur Sohle aus.
Die Dorfbewohner hatten sich schon lange von der Abordnung getrennt. Einige der Höflichen jedoch, wie die Mitglieder des Provisorischen Dorfrats, gingen heim, aßen zu Mittag und kehrten dann zu Dulnikker zurück, der noch immer in voller Lautstärke seine Telegrammrede hielt. Schließlich wurde diese Handvoll Getreuer reich belohnt, als Dulnikker, nachdem der Professor den schwächlich gebauten Reporter dem Leben wiedergegeben hatte, die Creme des Dorfes seinen Gästen systematisch vorstellte:
»Erlauben Sie, meine Herren: Professor Tannenbaum - Herr Salman Hassidoff, Tonsurkünstler, Bürgermeister de facto. Erlauben Sie, meine Herren: Professor Tannenbaum - Herr Elifas Hermanowitsch, Berufsgastgeber, einer der ursprünglichen Siedler. Erlauben Sie, meine Herren: Professor Tannenbaum - Herr Zemach Gurewitsch, Fachmann der Schuhmacherkunst, eine dynamische Persönlichkeit ...« Und so weiter, bis der Fotograf das alles mit der Bitte an Dulnikker unterbrach, sich, bevor es dunkel würde, für eine Einzelaufnahme zu stellen.
Das Ersuchen des Fotografen wurde ohne Schwierigkeit bewilligt. Dulnikker stand zwischen zwei Kühen mit traurigen Augen, die aus den Reihen der heimkehrenden Herde ausgewählt worden waren. Zusätzlich packte Dulnikker >ein süßes, lächelndes kleines Mädchen, des Pinsels eines Van Gogh würdig<, und schwang es trotz der Tränen der Kleinen hoch in die Luft. Danach ersuchte der Staatsmann den Bildreporter, >eine Aufnahme jenseits der Dorfgrenzen, im Herzen der Felder< zu machen, bei der er, Dulnikker, wie in seiner Jugend die Griffe eines Pfluges halten würde. Es stellte sich jedoch heraus, daß Kümmelfelder nicht gepflügt werden.
Das Ritual des Fotografierens bewirkte große Aufregung unter den Bürgern, die ehrfurchtsvoll vor der Linse standen. Andererseits kam es fast
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