Der Blaumilchkanal
schüttelten die Behörden den Kopf, und sprachen:
»Was fällt Ihnen ein? Nur Mitglieder des diplomatischen Corps und der Regierung haben Anspruch auf einen reservierten Parkplatz in einer Verkehrsstraße. So einer wie Sie muß froh sein, wenn ihm durch amtliche Parkverbotstafeln vor seinem Haus die freie Ein- und Ausfahrt gesichert wird. Übrigens, warum wollen Sie eigentlich draußen parken? Sie haben ja Platz genug in Ihrem Hof.«
Da öffnete Hiob den Mund, und holte Atem, und schleuderte wilde Flüche gegen alle, so da standen. Und wurde er mit Buße und Strafe belegt an Ort und Stelle, und wurden ihm seine Fingerabdrücke abgenommen für immer, und flog er hinaus vermittels eines derben Trittes in den Hintern.
Von Stund an entfernte der Mann Hiob an jedem Morgen das Strafmandat von seiner Windschutzscheibe, und warf es zu Boden, und bezahlte es nicht, und wurde in regelmäßigen Abständen zur Polizei gerufen, und schuldig gesprochen, und häufte sich das Unglück auf ihn und der Gram auf seine Familie.
*
Eines Morgens aber trat er wieder auf die Straße hinaus, und siehe, es war da kein Strafmandat auf seinem Lieferwagen, weil da auch kein Lieferwagen war, sondern die Hüter des Gesetzes hatten ihn abgeschleppt, damit er die Einfahrt in den Hof nicht behindere.
Und Hiob wehklagte aufs neue, und hob die Hände auf, und rief:
»Bin ich denn fühllos wie ein Stein? Sind meine Nerven aus Stahl? Wie lange soll ich der Verkehrspolizei noch erbötig sein, daß sie mit mir schalte und walte nach ihrem Gefallen?« Und seine Söhne verließen ihn und zerstreuten sich, und sein Weib sprach auf ihn ein, und sprach:
»Siehst du denn nicht, daß Recht und Gesetz deiner spotten? Laß die Verbotstafeln wieder fortnehmen, und du wirst parken können vor der Pforte deines Hauses in Frieden und ohne Strafmandat.«
Und zog ein Hoffnungsschimmer in Hiobs Herz, und eilte er zitternden Fußes zum Magistrat, und fiel in den Staub vor den Gewaltigen der Verkehrs abteilung, und bat und beschwor sie, die Verbotstafeln zu entfernen.
Die Gewaltigen aber fuhren mit rauher Stimme ihn an, und sprachen:
»Was glauben Sie, wo Sie hier sind? Auf einem Marktplatz? Im Basar? Mit uns können Sie nicht handeln. Erst gestern oder vorgestern wollten Sie die Tafeln vor Ihrem Haus haben, und heute sollen wir sie wieder wegnehmen?«
Und hob sich die Brust des Hiob in schierer Verzweiflung:
»Das war nicht gestern oder vorgestern, o Ihr Gewaltigen. Das ist schon Jahre her.«
Und zerdrückten die Gewaltigen je eine Träne, und sprachen: »Mitleidig sind unsere Herzen, aber gebunden sind unsere Hände. Wir können nichts machen. Solange es einen Hof gibt, muß die freie Einfahrt gesichert sein, und solange eine freie Einfahrt gesichert werden muß, werden dort Parkverbotstafeln stehen. Da können wir gar nichts machen.«
*
Satanas - wenn wir jetzt wieder an den Beginn unserer Geschichte anknüpfen dürfen - hatte seine Wette längst gewonnen.
Was jetzt geschah, war nur noch ein Nachspiel.
In einer Neumondnacht fiel einem patrouillierenden Hüter des Gesetzes ein Mann auf, der in der Dunkelheit damit beschäftigt war, den Pfahl einer amtlichen Parkverbotstafel durchzusägen. Der Mann wurde sofort verhaftet, angeklagt und wegen böswilliger Beschädigung städtischen Eigentums, schweren Verstoßes gegen die Verkehrsvorschriften und tätlicher Beleidigung von Amtsorganen zu einer ausgiebigen Gefängnisstrafe verurteilt. Nach seiner Entlassung mußte Hiob feststellen, daß man ihm in der Zwischenzeit den Lieferwagen gestohlen hatte, aber das half ihm jetzt nichts mehr. Sein Geist blieb getrübt, und er verschwand aus der großen Stadt, und seine Spur verlor sich.
Touristen erzählen, daß er in der Wüste umherirrt. Manchmal klingt sein hohles Gelächter schaurig durch die Nacht, manchmal taucht er im Morgendämmer am Horizont auf, wild hupend und fürchterliche Flüche gegen den Bürgermeister von Jerusalem ausstoßend. Amen.
Man muß zu dem Schluß kommen, daß die ganze Menschheit von Neid erfüllt ist und es nur aus Takt Begehren nennt. Man begehrt nicht nur schöne neue Häuser, sondern auch antike Trümmer. Das ist keine Krankheit mehr, sondern bereits eine Lebensform. Wie einst in Sodom und Gomorrha.
Ja, man begehrt sogar Sodom und Gomorrha. Oder das, was davon übriggeblieben ist.
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DIE SÜNDIGEN STÄDTE ODER AUSFLUG IN DIE STEINZEIT
Ich weiß nicht, wie der Rest der Welt auf die Öffnung unserer
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