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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sagt«, murmelte Erna deprimiert. »Jetzt verwechselt er schon Roberto Baggio mit Luigi Apolloni...«
    Die Zwillinge waren dem Weinen nahe. Sie hingen sehr an ihrem Vater.
    »Aus diesem Grunde habe ich Sie hergebeten«, Erna nahm meine Hand. »Bitte, sprechen Sie mit diesem Verrückten, daß er uns auch an den Bildschirm läßt.«
    »Erna Spiegel«, sagte ich mit Nachdruck, »ich lasse mich zu Hause auch nicht gerne stören.« Ich eilte zu meinem Apparat zurück. Was geht mich die brasilianische Mannschaft an? In meiner Funktion als Hobby-Nationaltrainer habe ich genug damit zu tun, mich an die glorreichen Fünf der ungarischen Wundermannschaft von 1951 zu erinnern: Budai, Kocsis, Hi-degkuti, Puskäs, Csibor. Im Mittelfeld baue ich vielleicht Zakarias ein. Berti raus.

    Eine unvergeßliche Begegnung mit aktuellen Halbgöttern kann also auch via Fernsehgerät erfolgen, was vermutlich nicht gegen das Erste Gebot verstößt. Kritisch wird es dann, wenn ein Gerät selbst zum Halbgott wird.

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EIN UNHEILBARER FALL VON TELEFONITIS
    In einer Zeit, da sich täglich neue Drogen der Menschen bemächtigen und der Konsum von Schnaps und Glimmstengeln unbekannte Rekorde erreicht, sei es dem Verfasser dieser Zeilen erlaubt, sich selbst zu outen und sich zu seiner ganz persönlichen Sucht zu bekennen.
    Ich bin der Telefonitis verfallen.
    Die ersten Anzeichen dieses fast religiösen Wahns zeigten sich bei mir im Jahre 1985, als die wunderbaren, kabellosen Telefone, der Teufel hole sie, auf den Markt kamen. Damals mußte ich zum ersten Mal feststellen, wie kribbelig ich werde, wenn ich eine oder zwei Stunden nicht telefoniere. Dabei ist es eigentlich nicht das Telefongespräch, das mir abgeht, denn der gleiche Effekt könnte durch persönlichen Kontakt viel besser erzielt werden. Nein, es ist das berauschende Gefühl des HÖrerabnehmens, gefolgt vom wundervollen »Tick-Tick« des Wählens, begleitet von atemloser Erwartung. Ich weiß wirklich nicht, wie es so weit kommen konnte, aber ich telefoniere von Jahr zu Jahr mehr. 1967 waren es 825 Telefonate in zwei Monaten, heute bringe ich es bereits auf 14 751 bei Regen. Schon im Morgengrauen, noch bevor ich schlaftrunken meine Augen öffne, überkommt mich der unstillbare Drang, meine Hand nach dem bezaubernden Apparat auf dem Nachttischchen auszustrecken und mir ein oder zwei Telefonate einzuwerfen.
    *
    In den letzten Jahren hat sich mein Zustand derart verschlechtert, daß ich selbst bei hochkarätigen Gesprächen nicht langer als eine Stunde stillsitzen kann, ohne zwischendurch aufzuspringen und »Pardon, ich habe etwas vergessen« zu murmeln, um im Nebenzimmer rasch irgend jemanden anzurufen, egal wen. Ich trage stets ein kleines, grünes Notizbuch bei mir, in dem alle Telefonnummern stehen, die ich im Laufe meines Lebens gesammelt habe. Da suche ich mir dann je nach Stimmung eine aus. Ich stehle mich auch mitten in einer Theatervorstellung fort, schleiche zwischendurch ins Foyer, suche mit glasigen Augen einen freien Apparat und wähle ein wenig, egal wohin. Dabei zittern meine Hände, und mein Wählfinger versteift sich. Manchmal stellen sich auch leichte Ausschläge in der Bauchgegend ein. Vor allem im Herbst.
    Nein, ich gehe nicht zum Arzt, aber ich finde mich mit meiner Sucht auch nicht einfach so ab. Ich bekämpfe sie selbst, mutig, wenngleich bisher erfolglos. Manchmal wähle ich eine Nummer, von der ich genau weiß, daß sie nicht mehr stimmt, und atme erleichtert auf, wenn das Besetztzeichen ertönt. Aber ich brauche ganz einfach das warme Gefühl in meiner Handfläche, ich muß mindestens jede halbe Stunde den summenden Hörer an meinem Ohr spüren, sonst drehe ich durch. Ja, ich habe die Telefonitis, es ist nicht zu ändern. Sie wird mich nicht nur psychisch ruinieren, auch meine Existenz ist in Gefahr, denn meine Sucht kostet mich ein Vermögen, vor allem nach Mitternacht, wenn es so billig ist, in die USA anzurufen. Einmal, ich glaube, es war im letzten Sommer, überfiel mich auf dem Nachhauseweg ein unstillbarer Heißhunger nach einem Telefon. Wie ein Verrückter irrte ich durch die Straßen, bis ich eine freie Telefonzelle fand. Ich rief am Flughafen an und fragte, ob alles in Ordnung sei, woraufhin man mich beruhigte.
    Kommunikationspsychiater haben für Menschen wie mich, die das Telefon anbeten, einen Fachbegriff: »Tele-fon-Junky«. Ich habe die Seuche des Jahrhunderts.
    Manchmal verschließe ich das Telefon im Schrank und bin der

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