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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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er einen wertvollen Trostpreis. Er ist seine Bleigewichte wieder los, kann siegen, wird wieder mit Blei bestraft und so fort. Alles klar? An diesem heiligen Ort sind eben wirklich alle gleich. Das einzige, was die Regeln nicht beeinflussen können, ist das Eigengewicht der Fahrer. Deshalb nehmen sie vor dem Start ihre Armbanduhren ab (0,03 Sekunden Gewinn) und fahren ohne Unterhosen (0,102 Sekunden).
    Ich fragte den Trainer, wie unter diesen Umständen überhaupt jemand siegen könne. Das liegt nur am Bremsen, klärte er mich auf. Wer in einer Kurve am spätesten bremst, hat die besten Aussichten. Das brächte pro Kurve einen ganzen Stundenkilometer. Im Windschatten.
    »Warum bremst dann überhaupt noch jemand?« fragte ich.
    »Reine Gewohnheit«, antwortete der Trainer.
    *
    Inzwischen war das Vorrennen beendet, und der bleigeprüfte Striezel fiel auf den siebten Platz zurück. Das bedeutete Platz vier beim Start. Als ich ihn bedauerte, tröstete er mich, dies sei der Superplatz schlechthin. go könne er die ersten drei von hinten beobachten, sie Um aber nicht. Außerdem hätte er jetzt 17,5 Kilo Blei weniger im Auto. Und das allein wäre schon ein Glücksfall. Die Begeisterung hatte mich angesteckt. Ich polierte jetzt bereits Windschutzscheiben und konnte so von den Fahrern Autogramme ergattern. Nebenbei erfreute ich mich an der phantasievollen Skala ihrer Ausreden für die schlechte Plazierung:
    »Der Benzindruck schwankte im Lamellensperrdifferential, und so fehlten mir 460 Umdrehungen auf der Geraden«, erläuterte soeben ein Champion dem ihn belagernden Harem. »In der Ostkurve begann meine Kohl-faser-Doppelquerlink zu vibrieren, der Naßsumpf in der vollsynchronisierten Hinterachse verstopfte meine zwangsbelüffcete Bremshydraulik ... «
    Ein wundervoller Beruf, dieser Autosport. Ich hätte bei der besten Ehefrau von allen keinerlei Chance mit der Ausrede für den Mißerfolg eines Buches gehabt, daß mein Ersatzbleistift auf der dritten Seite lediglich auf drei Zylindern gelaufen sei.
    Inzwischen war meine Popularität enorm gestiegen, und ich verteilte an die weiblichen Fans Autogramme von Hans-Joachim Stuck. Der Weltmeister selbst hatte sich für ein paar Augenblicke der Meditation in die mobile Kapelle der Firma Audi zurückgezogen, um dort Regen für das große Rennen zu erflehen.
    »Sein Wagen ist ein Quattro mit Vierradantrieb«, weihte man mich ein. »Und das ist nur auf nasser Strecke von Vorteil.«
    Die Wolken blieben aus, und der strahlendblaue Himmel bereitete Audi einen schweren Schlag. So kann man sich also auf Petrus verlassen. Da schleift und schnipselt man den lieben langen Tag in Erwartung des ersehnten Schauers an den Reifen herum, und dann bleibt die Strecke staubtrocken.
    Die Reifen werden übrigens ähnlich wie die heiligen Kühe in Indien verehrt. Die Mädchen streichen zärtlich darüber, während die Männer sie von innen heraus anheizen. Die Reifen, versteht sich. Es heißt sogar, BMW beschäftige einen Psychologen für Winterreifen.
    Als der Lärm mein Trommelfell fast zerriß, füllten sich die Tribünen. Das alles entscheidende Rennen begann. Einen derartigen Menschenauflauf hatte ich selbst beim Papst in Rom nicht gesehen...
    *
    Inzwischen hatte ich die Gelegenheit beim Schöpf gepackt. Jetzt war Fahnenschwenken gefragt. So kam man am dichtesten an die motorisierten Götter heran. Wie besessen schwenkte ich mit. Jede Fahne hatte ihre Bedeutung. Eine rote Fahne hieß: »Anhalten!«, die gelbe warnte: »Vorsicht, Öl in der Kurve!«, und eine rosa: »Macht nichts, mein Junge, vielleicht das nächste Mal.«
    Die schweren Wagen rasten in atemberaubendem Tempo dicht an meiner Nase vorbei. In jeder Kurve rauchte es. Das gehört dazu. Dann stürmte ein ganzes Geschwader von Monteuren herbei und wechselte dem Fahrer in 15 Sekunden den Motor, die Reifen, die Karosserie und die Werbelogos aus.
    Inzwischen nahm das Rennen einen recht erfreulichen Verlauf. Bereits in der fünften Kurve kam etwas Leben ins Getriebe, als der Spitzenreiter aus Venezuela, Johnny Cecotto, Stucks Hintern rammte, worauf der Venezueler unverzüglich disqualifiziert wurde. Welches Glück für ihn: 32,5 Kilo Blei weniger beim nächsten Rennen.
    Audis Ehre rettete schließlich der blutjunge Werksfahrer Frank Biela, der einen würdigen dritten Platz belegte. Wieselgleich näherte ich mich ihm, um seinen Overall zu säubern. Die Pressefotografen waren im Anmarsch. Ich ergatterte einen recht guten Platz in seiner Nähe,

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