Der Blaumilchkanal
gefragt, was all diese Frauen da unten zu bedeuten haben.«
»Frauen? Welche Frauen?«
»Diese Badenixen da. Sag bloß, du hast sie noch nie gesehen.«
»Ich schaue immer nur zum Himmel, Herzchen. Abendrot, gut Wetter Bot', solche Sachen, weißt du. Ich schaue niemals runter. Aber, wenn du mich jetzt drauf aufmerksam machst, da scheint dort unten tatsächlich so eine Art Türkisches Bad zu sein. Nun ja, die Leute müssen sich auch einmal waschen, nehme ich an.«
»Und seit wann haben wir im innersten Bereich des Palastes eine öffentliche Badeanstalt?«
»Keine Ahnung, Schatziputzi, aber ich werde mich erkundigen. Falls der Architekt Mist gebaut hat, lasse ich ihn köpfen, glaub' mir.«
»Abdul Hamid, du verbirgst mir etwas!«
»Aber, aber Mausi, wir sind doch nicht schon wieder mißtrauisch, oder?«
»Dann erkläre mir bitte, was du eigentlich jede Nacht machst, wenn du dich hier wegschleichst.«
»Ich?«
»Ja, du! Du schnappst dir den Bademantel und ziehst los.«
»Nur aufs Klo, meine Süße.«
»Drei Tage lang?«
»Alles braucht eben seine Zeit. Außerdem, wenn ich nicht schlafen kann, spiele ich manchmal Schach mit den Eunuchen. Du kennst doch den Dicken mit dem Schwert? Kürzlich habe ich gegen ihn ein Remis geschafft. Er hatte zwar einen Springer mehr als ich, aber da habe ich meinen Turm geopfert... «
»Drei Tage!«
»Ich hatte Schwierigkeiten mit meinem Läufer.«
»Und dann kommst du völlig erledigt wieder zurück Und kannst dich kaum noch auf den Beinen halten.«
»Wo er doch einen Springer mehr hatte ...«
»Und die Musik?«
»Was für eine Musik?«
»Du weißt haargenau, was für eine Musik. Kein Mensch kann in diesem Palast auch nur ein Auge zumachen bei dem ständigen Bauchtanzkrach.«
»Denkst du etwa, ich tanze Bauch?«
»Nicht du. Die.«
»Wer?«
»Deine Mädchen.«
»Liebling, wirklich, ich muß schon bitten.«
»Letzte Nacht bin ich zum Fenster gegangen und habe runtergerufen, sie sollten gefälligst mit dem Krach aufhören, ich hätte Migräne. Da keifte eine von deinen Weibern hoch: >Ruhe da oben, Sie stören den Sultan!< Was sollte das denn nun wieder bedeuten?«
»Was weiß ich? Vielleicht ist irgendein Mädchen mit einem Kerl namens Sultan verheiratet, Josef Sultan oder so ähnlich. Oder vielleicht ist das der Bademeister ...«
»Ich habe dort unten noch keinen einzigen Mann gesehen.«
»Dann sind das sicherlich sehr keusche, schamhafte Mädchen.«
»Keusch, sagst du? Sie sind allesamt splitterfasernackt.«
»Wer?«
»Deine miesen Schlampen!«
»Mach keine Witze. Du meinst, ganz ohne Kleider?«
»Du hast mich genau gehört!«
»Na so was aber auch! Ich muß das Polizeiministeri-um informieren. Also wirklich, hier in meinem eigenen Palast! Ich bin dir so dankbar, daß du mich darüber aufgeklärt hast, Liebling. Nackt! Da muß man sofort etwas unternehmen. Ich werde gleich mal losgehen und die Sache persönlich untersuchen, und wenn ich herausfinde, daß die keine Genehmigung für ihre FKK-lage haben ... «
»Abdul! Was willst du mit deinem Bademantel?« »Ich muß gehen, Hasimaus, ich muß wissen, was diese Mädelchen so treiben. Das ist eine wichtige Angelegenheit, verstehst du. Ich komme in Windeseile wieder zurück, mein Täubchen, vielleicht sogar schon dieses Wochenende, bestimmt aber nicht später als im nächsten Frühjahr.«
Gott der Herr sagte seinerzeit: »Es wird der Mann seine Eltern verlassen und seinem Weib anhängen, Und sie werden sein ein Fleisch«, aber, gestatten Sie, Gnädigste, Er sagte Weib, nicht Eheweib.
Alles, was der Allmächtige von den Menschen verlangt hat, war: »Seid fruchtbar, mehret euch und füllet die Erde.« In dieser guten Absicht hat uns der Schöpfer mit so viel erotischem Drang ausgestattet, daß wir fast daran zerplatzen. Dann aber kommt Er uns mit Seinem Sechsten Gebot und macht aus einer globalen Mission in Ping-Pong-Spiel für zwei Teilnehmer.
Wie soll man sich da zurechtfinden?
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EINE JAHRHUNDERTLIEBE ODER »WAS DU NICHT SAGST«
Mein Cousin saß da und starrte zur Decke. Seine Stimme klang träumerisch:
»Es war Liebe auf den ersten Blick. Ein Hauch von geistigem Adel schwebte um diese Frau, ein Leuchten wie von innerer Heiterkeit. Sie hatte mich nur ein einziges Mal aus ihren geheimnisvollen dunklen Augen angesehen, und ich war ihr verfallen. Ich folgte ihr wie in Trance. Sie liebte mich nicht.«
»Was du nicht sagst.«
»Sie fand, ich sei nicht empfindsam genug. Sie ist
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