Der Blaumilchkanal
toi!«
Wahrscheinlich möchte der Leser jetzt wissen, wie ich persönlich mit dem Sechsten Gebot umgehe. Keine Frage, das hängt von einer Frau mit sechstem Sinn ab, im Volksmund die beste Ehefrau von allen genannt.
Entscheidend ist, daß die Beste und ich einander nicht anlügen. In Krisensituationen schweigen wir. Der große Vorteil dabei ist, daß, wer schweigt, auch nicht falsches Zeugnis geben kann.
Man sollte aber in jedem Fall den Mund halten, wenn Frauen sich mit feministischen Ideen beschäftigen, etwas, das vor 3000 Jahren absolut unmöglich gewesen wäre.
Die Situation spitzt sich zu, wenn der Ehefrau das Buch »Adieu Sartre« von Simone de Beauvoir in die Hände fallt, in dem die französische Schriftstellerin keinen Zweifel an ihrer Meinung über diesen perversen Lüstling läßt. Ich schenkte dieses Buch der besten Ehefrau von allen zu Chanukka, und das war ein schwerer Fehler.
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AUF DER SUCHE NACH DEM VERLORENEN ICH
Kurz nach dem Aufwachen ertappte ich meine Gattin dabei, wie sie nachdenklich ins Leere starrte.
»Ich hab' genug«, verkündete sie mißmutig, »ich bin es leid, jeden Morgen dieselben zwei Füße in meine Hausschuhe steigen zu sehen.«
Natürlich war mir sofort klar, daß sie den »de-Beauvoir-Virus« hatte. Es konnte gar nichts anderes sein, denn kurz danach fragte sie mich, während sie angestrengt ihr Spiegelbild betrachtete, ob es mir nicht aufgefallen wäre, daß wir seit urdenklichen Zeiten immer und immer wieder dieselben Dinge taten.
Ich gab ihr recht. Auch ich habe mich schon oft gefragt, ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als immer wieder ein- und auszuatmen, von früh bis spät, ohne jede Abwechslung, genau wie ein hirnloser Roboter. Noch während ich sprach, zog sich meine Gemahlin vollkommen in den Spiegel zurück. Ihr Blick schweifte weit über Berge und Einbauküchen hinweg und führte zu der unvermeidlichen Frage:
»Sag mir, Ephraim, was mache ich hier eigentlich? Und wer bin ich überhaupt?«
Ich mußte mir eingestehen, daß ich an dieses Problem noch nicht allzu viele Gedanken verschwendet hatte. Aber nun, da sie selbst die Rede darauf brachte, fragte ich mich ernsthaft: Tatsächlich, was sucht sie eigentlich in meinem Haus?
»Liebling«, bemerkte ich, »wenn du deine Haare blond färben willst, warum sagst du mir das nicht gleich?«
Sie ließ mich wortlos stehen und las weiter in ihrer neuen Bibel. Erst gegen Abend kam sie wieder. Ihre stoische Selbstbeherrschung machte mich unruhig.
»Ich habe nichts gegen dich, Ephraim«, informierte sie mich. »Das Problem bin nur ich und mein Ego. Weißt du, was ich den ganzen Tag lang getan habe? Ich habe nachgedacht. Was bin ich? Wer bin ich? Wo finde ich meine wahre Identität?«
»Du bist meine Frau«, sagte ich hilfreich. »Frau Kishon. Das steht in deiner Identitätskarte.« »Ja, aber warum bin ich ich?«
Eine gute Frage. Wenn sie an jenem vernieselten Mittwoch vor 35 Jahren statt meiner Dr. Joseph Friedlaender geheiratet hätte, dann wäre die beste Ehefrau jetzt nicht meine Frau, sondern Frau Friedlaender, ohne Zweifel.
»Das ganze Leben«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln, »ist nur Zufall.«
Wem sagt sie das? Ich hätte ihr genausogut auch das »Guiness-Buch der Rekorde« schenken können.
*
Die beste Ehefrau von allen erschien erst zur Abendschau wieder. Ein Blick in ihr Antlitz kündigte mir an, daß ich abermals mit Simone de Beauvoir konfrontiert würde. Die große französische Autorin kam tatsächlich daher, als ich gerade beim nächtlichen Zähneputzen war. Das heißt natürlich, meine Frau kam daher, und zwar mit einem früheren Buch von Simone in der Hand: »Das andere Geschlecht«.
»Voilà«, sagte sie, »diese fabelhafte Frau lebte 42 Jahre lang mit Sartre zusammen, und sie hat ihn nie geheiratet. Und warum glaubst du, tat sie es nicht?«
»Vielleicht hat Sartre nie um ihre Hand angehalten.«
Mein Weib blickte in den Spiegel und studierte eingehend das Profil ihrer Identität.
»Sehen wir doch den Tatsachen ins Auge, Ephraim. Seit ich denken kann, lebe ich in Abhängigkeit. Zuerst war ich meinen Eltern hörig, dann meinen Kindern. Und du, gib's doch zu, du hast mich nur geheiratet, um mich zu deiner Haushälterin zu machen.« »Das wollte ich nicht«, entschuldigte ich mich. »Das Leben ist voller Abhängigkeiten. Als ich dir beispielsweise ein paar Tage vor der Hochzeit sagte, daß ich noch etwas Zeit zum Überlegen brauchte, hast du, wenn ich
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