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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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November ist immer ein schwacher Monat. Es war mehr aus Gewissenhaftigkeit vor Bilanzschluß. Aber im Dezember kam eine wirklich seriöse Bestechung.
    Direktor: »Dezember. 33 000 Schekel bar von Herrn R.« Wer ist R? Robitschek?
    Ziegler: Ja.
    Direktor: Regierungsaufträge?
    Ziegler: Ja.
    Direktor: Ziegler, Ziegler. Mich geht's ja nichts an. Aber sind 33 000 Schekel in einem Monat nicht etwas zuviel?
    Ziegler: Sie können sich nicht vorstellen, Herr Direktor, wie beharrlich dieser Robitschek war. Er hat mir das Geld buchstäblich aufgedrängt. Dafür war der Januar wieder sehr schwach. 8000 Schekel, alles zusammen.
    Direktor: Einfuhrbewilligungen?
    Ziegler: Ausfuhrgenehmigungen.
    Direktor: Hm. Wie ich in Ihrem Büchlein sehe, hat's im Februar wieder einen Aufschwung gegeben.
    Ziegler: Der Frühling, Herr Direktor, der Frühling. Aber jetzt muß ich Ihnen endlich ein Geständnis machen. Ich lasse mich nicht gern bestechen. Es ist mir unangenehm.
    Direktor: Warum?
    Ziegler: Weiß der Teufel. Vielleicht bin ich pervers. Wenn ich von meinem Gehalt leben könnte, glauben Sie mir, Herr Direktor, ich würde keine einzige Bestechung mehr annehmen. 
    Direktor: Sie berühren da ein Problem von allgemeiner Gültigkeit.
    Ziegler: Ich weiß.
    Direktor: Es ist ein Problem unseres gesamten öffentlichen Lebens.
    Ziegler: Ich weiß. Aber ich habe eben ein schlechtes Gefühl dabei. Schließlich und endlich, wenn man's recht besieht, ist es nichts anderes als Diebstahl.
    Direktor: Vom rein technischen Standpunkt aus, gewissermaßen als Verfahrensfrage, läßt es sich nicht leugnen.
    Ziegler: Deshalb sage ich ja, daß ich mit einem halbwegs anständigen Gehalt...
    Direktor: Ausgeschlossen.
    Ziegler: 40 netto?
    Direktor: Lieber Freund, wir sind hier nicht in einem Basar, sondern in einer Regierungskanzlei. Hier wird nicht gehandelt. Verstanden? Ich versichere Ihnen, daß die Regierung sich dieses schmerzlichen Problems durchaus bewußt ist. Aber Sie, Ziegler, müssen sich darüber im klaren sein, daß Sie Unmögliches verlangen. Wenn wir Ihr Gehalt erhöhen, verlangen am nächsten Tag Ihre 260 Kollegen...
    Ziegler: Sie werden nichts davon erfahren. Ehrenwort.
    Direktor: Das will ich nicht gehört haben. Zu solchen Machenschaften gebe ich mich nicht her. Also Robitschek hat 33 000 Schekel gezahlt?
    Ziegler: In drei Raten. Die letzte davon erst heute. Hier in dieser Rocktasche befinden sich 11 000 Schekel in Banknoten.
    Direktor: Sehr unvorsichtig von Ihnen, so viel Bargeld bei sich zu tragen.
    Ziegler: Ich nehme keine Schecks.
    Direktor: Haben Sie das Geld schon nachgezählt?
    Ziegler: Dazu hatte ich noch keine Zeit.
    Direktor: Versteh' ich nicht. Ein so gewissenhafter Beamter wie Sie.
    Ziegler: 30 Schekel monatlich, und ich hör' auf damit.
    Direktor: Sie sind ein Querkopf, Ziegler. Das muß ich schon sagen. Einen Augenblick. Ich rufe meine Sekretärin.
    Sekretärin: Sie wünschen, Herr Direktor?
    Direktor: Bringen Sie mir das Dossier für diverse Nebeneinkünfte.
    Sekretärin: Von wann?
    Direktor: Die letzten zwei Jahre.
    Sekretärin: Hier, bitte.
    Direktor: Wie hoch war die Bestechungstotale am Ende des letzten Jahres?
    Sekretärin: Inklusive Veruntreuungen in bar?
    Direktor: Ja.
    Sekretärin: Im letzten Quartal, also im Oktober, erreichten die Entnahmen in unserer Abteilung eine Gesamthöhe von 22 800 Schekel.
    Direktor: Das geht noch an. November?
    Sekretärin: 38 000 Schekel, aber ich habe meine 2000 Schekel vor der Inspektion zurückerstattet.
    Direktor: Ja, ja, ich erinnere mich. Weiter.
    Sekretärin: Dezember 3000 Schekel.
    Direktor: Natürlich Robitschek. Und wie sieht die Gesamtbilanz aus?
    Sekretärin: In der Sparte »Indirekte Bestechungen« haben wir eine Abschlußziffer von 240 000 Schekel, aber davon sind 20 000 ein Übertrag vom Vorjahr.
    Direktor: Macht keinen Unterschied. Sagen wir rund eine viertel Million. Nehmen Sie Papier und Bleistift, Ziegler, und rechnen Sie. Wenn ich Ihr Gehalt um 40 Schekel monatlich erhöhe, muß ich morgen 260 Angestellten die gleiche Erhöhung bewilligen. 40 Schekel öetto sind bei unserem Steuergebaren 80 Schekel brutto. Mit Krankenversicherung, Pensionsfonds und so weiter kommen wir ziemlich genau auf 100. Multiplizieren Sie das mit 260. Das ergibt 26 000 Schekel pro Monat.
    Sekretärin: Oder mehr als 300 000 Schekel im Jahr.
    Direktor: Und jetzt sagen Sie mir, Ziegler, wo soll unser kleines Land so viel Geld für Gehaltserhöhungen hernehmen? Wir sind arm, wir haben keine

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