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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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befreite mich aus meinem ehemaligen Wagen und kroch auf den Vertreter der Staatsgewalt zu:
    »Ein Grundsatz unserer Rechtsprechung lautet, daß man unschuldig ist, solange man keiner Schuld überführt wurde. Vergessen Sie das nicht.«
    »Mir brauchen Sie nicht zu sagen, Mann, was ich nicht vergessen soll. Ich werde Sie jedenfalls anzeigen.«
    »Warum?«
    »Weil ich genau gesehen habe, wie Sie aus dem Gemüseladen herausgekommen sind.«
    »Das tun zahlreiche Hausfrauen jeden Tag.«
    »Aber Sie sind vorher hineingefahren.«
    »Und? Wozu habe ich einen Wagen? Andere gehen zu Fuß, ich fahre.«
    Meine Logik schien ihn zu beeindrucken. Er kratzte sich am Hinterkopf. Dann nahm er wieder Haltung an:
    »Außerdem parken Sie gerade jetzt auf dem Gehsteig, oder nicht?«
    »Nur vorübergehend. Wollen Sie eine solche Kleinigkeit hochspielen?«
    Der Ordnungshüter stieg verlegen von einem Fuß auf den anderen:
    »Und der zertrümmerte Gemüseladen?«
    »Wir wollen Gemüse und Gehsteig scharf auseinanderhalten. Nur nicht zuviel auf einmal. Dann würde ich unter Umständen zugeben, daß ich vorschriftswidrig gefahren bin.«
    »Was soll das heißen?«
    Ich sprach beruhigend auf ihn ein:
    »Hören Sie zu, mein Freund. Wir beide können nur profitieren, wenn wir zusammenarbeiten. Das verkürzt den Prozeß, und Sie müssen nicht immer wieder vor Gericht erscheinen, um sich von gerissenen Rechtsanwälten ins Kreuzverhör nehmen zu lassen. Seien Sie vernünftig. Sie ersparen sich damit eine Menge Unannehmlichkeiten.«
    »Sie sind aber mit 80 Stundenkilometern gefahren.«
    »Warum nicht 60? Auch damit habe ich die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten, und es klingt besser.«
    »Und Sie haben einen Hund getötet.«
    »Eine Katze.«
    Die Untersuchung war an einem toten Punkt angelangt. Nochmals erklärte ich meine Bereitschaft, mich in einigen Punkten schuldig zu bekennen, wenn die Anklage einige andere Punkte fallen ließe:
    »Lassen wir den Laden beiseite«, schlug ich vor, »und nehmen wir statt dessen den Laternenpfahl.«
    »Unmöglich.«
    »Gut, nehmen wir beide. Aber mit vertauschtem Schaden.«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Schreiben Sie, daß ich in den Laternenpfahl hineingefahren bin und den Gemüseladen geknickt habe.«
    »Der Laternenpfahl ist nicht geknickt, Sie haben ihn umgelegt.«
    »Hm. Warten Sie. Mir fällt etwas ein. Voriges Jahr habe ich einen Fernsehapparat durch den Zoll geschmuggelt, ohne erwischt zu werden. Ich bin bereit, den Schmuggel nachträglich zu gestehen, wenn Sie dafür den Laternenpfahl weglassen.«
    »Ganz so einfach wird's nicht gehen. Ich muß ihn zumindest erwähnen. Sagen wir, Sie haben ihn gestreift.«
    »In diesem Fall habe ich nur einen Transistor geschmuggelt.«
    »Der Beschuldigte hat ein Rundfunkgerät ohne Einfuhrbewilligung importiert«, notierte der Polizist. »Und was machen wir mit dem vorschriftswidrigen Fahren?« fragte er.
    Ich schlug als Ersatz einen Kinderwagen vor, den ich im Frühjahr bei einem Parkmanöver beschädigt hatte. Mein Partner war einverstanden, vervollständigte das Protokoll durch einige neutrale technische Daten und hielt es mir hin:
    »Hier, bitte. Unterschreiben Sie auf der punktierten Linie.«
    Schon wollte ich den Kugelschreiber ansetzen, als ich eine neue Idee hatte:
    »Einen Augenblick. Haben Sie Zeugen?«
    Das Auge des Gesetzes glotzte:
    »Nein, eigentlich nicht, es war ja kein Mensch auf der Straße.«
    »Abgesehen von mir«, sagte ich. »Und das bedeutet, daß Sie auf mich angewiesen sind. Ich bin Ihr einziger Zeuge. Wenn ich die Anklage nicht unterstütze, bricht sie zusammen. Das sollten Sie bei Ihrer Aussage bedenken!«
    »Ja, schon gut«, stöhnte das Amtsorgan. »Lassen Sie uns zum Ende kommen, ich bitte Sie.« Der Morgen dämmerte. Ich unterschrieb das Protokoll als Staatszeuge in Sachen Rundfunkgerät und Kinderwagen, verabschiedete mich von meinem uniformierten Freund mit einem kräftigen Handschlag und ging nach Hause.
    *
    Die beste Ehefrau von allen war ein wenig ärgerlich. Warum ich so spät nach Hause käme? Was denn geschehen sei? Ich bedauerte, in ein schwebendes Verfahren nicht eingreifen zu dürfen, und verweigerte die Aussage als Kronzeuge.

    Der kleine David konnte den riesigen Goliath töten und erhielt dafür anhaltenden Beifall, da zu Zeiten der Bibel noch keine politischen Kommentatoren in den Medien beschäftigt waren, um seine infame Tat zu analysieren. Angesichts der internationalen Berichterstattung der

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