Der Blaumilchkanal
letzten Jahrzehnte, die das winzige Israel zu einer imperialistischen Großmacht umfunktionierte, machte ich mich freiwillig zum Sprecher des heutigen Salonantisemitismus, um David und Goliaths bekannte Geschichte professionell zu fälschen.
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ARMER GOLIATH ODER EIN BIBLISCHER KOPFSTAND
Der Ablauf der Ereignisse darf als bekannt voraus gesetzt werden. Nach längeren Manövern auf beiden Seiten hatten die Philister in Sichtweite der israelischen Armee, nahe der Stadt Sochon, Stellung bezogen und bemühten sich, die von den Israelis künstlich gesteigerte Spannung zu dämpfen. Auf dem Höhepunkt der Krise begab sich der philistinische Oberstabswachtmeister Goliath in das Niemandsland zwischen den beiden Lagern, wo er, wir zitieren einen absolut zuverlässigen Bericht, »seine Stimme erhob«, um schwerere Kämpfe und unnötiges Blutvergießen zu verhindern. Ein als Hirte getarnter Angehöriger des Geheimdienstes namens David, ein bekannter Großwildjäger, reagierte darauf mit einem Überraschungsangriff gegen Oberstabswachtmeister Goliath, den er brutal zu Fall brachte und abschlachtete.
Soweit die Tatsachen.
Rein militärisch betrachtet, kann der israelischen Aktion eine gewisse Qualität nicht abgesprochen werden. Angesichts der moralischen Botschaft der Zehn Gebote fühlen wir uns jedoch verpflichtet, das Vorgehen Davids und seiner Auftraggeber gründlich zu analysieren, um einer Geschichtsfälschung vorzubeugen. Dabei leiten uns keine Haßgefühle gegen das Volk Israels. Im Gegenteil. Wir möchten dem zweifelhaften Ruf dieses ewig rastlosen Stammes eine neue, schwere Belastung ersparen.
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Wir sind durchaus nicht der Meinung, daß der Begriff des soldatischen Kampfes eine völlige Gleichheit in der beiderseitigen Bewaffnung voraussetzt. Aber die elementaren Grundsätze der Fairneß verlangen zumindest annähernd gleiche Voraussetzungen. Wir bedauern, feststellen zu müssen, daß in der Auseinandersetzung zwischen David und Goliath eine solche Balance nicht gegeben war. Vielmehr lagen von Anfang an alle Vorteile auf seiten Davids.
Das zeigte sich bereits an der Ausrüstung. Oberstabswachtmeister Goliath und wir stützen uns abermals auf den oben erwähnten Gewährsmann: »Goliath hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupte und einen schup-pichten Panzer an, und das Gewicht seines Panzers war 5000 Schekel Erzes, und hatte eherne Beinharnische an seinen Schenkeln und einen ehernen Schild auf seinen Schultern.« Das heißt, daß er etwa 60 bis 70 Kilo zu schleppen hatte. Demgegenüber war David, wie man weiß, lediglich mit einer Hirtentasche und einer Schleuder bewaffnet, was ihm den unschätzbaren Vorteil der optimalen Beweglichkeit sicherte. Hinzu kam, daß der philistinische Freiheitskämpfer »sechs Ellen und eine Handbreit hoch« war, was eine geradezu riesenhafte Körpergröße von fast vier Metern bedeutete. Das benachteiligte ihn dem kleinen, gelenkigen Israeli gegenüber noch mehr. Bedenkt man schließlich den taktischen Effekt des Überraschungsangriffs, der sich gleichfalls zuungunsten Goliaths auswirken mußte, so darf man ruhig behaupten, daß der ungleiche Kampf im voraus entschieden war.
Die Frage, wer den Kampf begonnen hat, wird die Experten noch lange beschäftigen. Genaue Nachforschungen haben ergeben, daß während der 40 Tage, die dem Ausbruch der Feindseligkeiten vorangingen, keinerlei Truppenbewegungen stattfanden und daß sich zum Schluß sogar Anzeichen einer Entspannung bemerkbar machten, die eine Lösung auf diplomatischem Weg in Aussicht stellten. Warum diese Möglichkeit scheiterte, läßt sich ohne besondere Mühe der schon mehrfach zitierten Quelle entnehmen. Goliath »trat hervor und ging einher«, während David, der gleichen Quelle zufolge, »eilete und lief vom Zeuge gegen den Philister«. Damit dürften die letzten Zweifel beseitigt sein, wer als Aggressor zu bezeichnen ist.
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Indessen soll auch die menschliche Seite des Vorfalls nicht zu kurz kommen. Das Wort hat der junge Schildträger Goliaths, der sich im Militärkrankenhaus nur langsam von den Folgen des erlittenen Schocks erholt: »Oberstabswachtmeister Goliath griff niemals als erster an«, sagte uns der junge Kriegsversehrte, wobei er mühsam Haltung annahm. »Er war ein grundgütiger Mensch, voll Lebensfreude und Humor. Manche Leute hielten ihn auf Grund seiner äußeren Erscheinung für einen bärbeißigen Krieger, aber die rauhe Schale verbarg einen weichen Kern. Er liebte Musik,
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