Der bleiche König: Roman (German Edition)
Steuererklärung bekommen, die Sie auf Revisionsbedarf hin prüfen.«
»Das ist nämlich Ihre Aufgabe«, sagte der Assistent vom Personal, »die Prüfung von Steuererklärungen auf Revisionsbedarf.«
»Worauf wir in genau acht Minuten zu sprechen kommen«, sagte die SLC und warf dem Assistenten vom Personal einen vielsagenden Blick zu.
Cusk merkte, dass von irgendwo hinter ihm ein ungewöhnlich angenehmer Duft ausging, angenehmer als die aufbereitete Raumluft und deutlich besser als der schwache Geruch nach reifem Cheddar, den sein feuchtes Hemd seiner Meinung nach verströmte.
»Wenn die Powers-Kartenspezifikationen Ihr IDS -360 substanziell ändern, erhalten Sie dazu eine Zusatzschulung ihres Gruppenmanagers.«
»Ihr Gruppenmanager ist der Vorgesetzte Ihres Teamleiters«, sagte der Assistent vom Personal.
»Alles in allem beinhalten die Daten Angaben zu SIN, Berufscode, Angehörigen, Klassifikationen von Einkommen und Abzügen, Summen auf beigefügten W-2ern, 1099ern und ähnliche Informationen.«
»Das ist noch reine Transkription«, sagte der Mann. »In dieser Phase findet noch keine Prüfung statt.«
»Sie werden nach Martinsburg gebracht, wo Lochkartenleser die Informationen in die Zentralcomputer übertragen, die sie auf Rechenfehler prüfen, die W-2er und Erfolgsrechnung gegenchecken –«
»Und grundlegende Unstimmigkeiten auf dem internen Ausdruck festhalten, der für jede Steuererklärung angefertigt wird.«
»Diese Ausdrucke heißen auch ›Internes Memo 1040-M1er‹ oder einfach nur ›M1er‹.«
»An die 1 werden aber noch die letzten beiden Ziffern des jeweiligen Steuerjahrs angehängt; ein 1040-M1-84 beispielsweise ist also ein Ausdruck für eine individuelle Steuererklärung 1040 für 1984.«
»Die Zahlen beziehen sich allerdings auf die Klassifizierung der Erklärung in der Stammdokumentation; der Ausdruck selbst hat keine eigene Kurzbezeichnung.«
»In der Stammdokumentation wäre eine bestimmte Steuererklärung unter 1040-M1-79 plus der SIN des Steuerzahlers zu finden, eigentlich ist es also eine Bezeichnung mit siebzehn Zeichen.«
»Das ist hier doch nicht die Systems-Orientierung. Worum es geht, ist Folgendes: Alles, was Sie sehen, ist ein an die Steuererklärung gehefteter Ausdruck, denn der M1-Ausdruck und die Steuererklärung bilden das Dossier, und Aufgabe der Standardprüfer ist die Überprüfung der Dossiers auf potenziellen Revisionsbedarf.«
Cusk stellte sich langsam auf den Rhythmus der Paarpräsentation und die interrelationalen Signale ein, die die Schulungsleiterin abgab, wenn sich die Präsentation in einer Abschweifung verlor oder sich um vergleichsweise Unwichtigeres drehte. Das Hauptsignal war ein Blick auf die Armbanduhr, wodurch der Schatten des Zeigestocks in ihrer Hand auf die Seite der beleuchteten Leinwand fiel und direkt auf den Schatten des Assistenten vom Personal zeigte, auch wenn die beiden nicht gleich nah am Projektor standen. Außerdem standen die relevanten Punkte alle auch in den Orientierungsunterlagen. In dem Teil seines Geistes, der sich seines eigenen Erregungsniveaus bewusst war, der Schweißsituation, der Raumtemperatur, der Anordnung aller Ausgänge, der Plätze und Blickachsen aller Leute im Raum, die seine Attacke möglicherweise mitbekamen – allem was, wenn er sich in einer geschlossenen Öffentlichkeit befand, einen Teil seiner Aufmerksamkeit beanspruchte, egal wie sehr er sich auf das konzentrierte, was im betreffenden Raum eigentlich gerade verhandelt wurde –, war sich Cusk bewusst, dass sich jemand hinter und leicht über ihm befand, wahrscheinlich noch fast am Ausgang, dastand und möglicherweise überlegte, ob er oder sie sich setzen sollte. Und die Möglichkeit, dass es eine Sie war – denn der in der Luft liegende angenehme Duft war der eines Damenparfums, wie vernünftigerweise angenommen werden durfte, oder aber das ungewöhnlich blumige und weibliche Eau de Cologne eines Mannes –, schickte Cusk die nächste Wärmewelle durch Schädel und Kopfhaut, allerdings noch keine wirklich akute Hitzewelle von Attackenausmaß.
»Im Wesentlichen«, sagte die Schulungsleiterin Compliance, »können wir dank der Stammdokumentation die Zahlen überprüfen und nach Unstimmigkeiten absuchen, was uns von Hand etliche Personalstunden kosten würde.«
»Fakt ist«, sagte der Assistent vom Personal, »durchschnittlich sechs bis elf Prozent der jährlich eingereichten 1040-Steuererklärungen enthalten grundlegende Rechenfehler.«
»Die
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