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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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mit Indica gezogen, die in den Zimmern im ersten Stock die Runde machte; ich hatte mit vier verschiedenen Mädchen von der Bradley zu Songs aus drei verschiedenen Kommerzpop-Phasen tanzen müssen, hatte zwei Telefonnummern abgestaubt und wollte mich mit einem mittelhübschen Mädchen von der Party absetzen, das dann aber Everclear aus einem Plastikbecher eingetrichtert bekam und außerstande war, überhaupt noch mit irgendwem die Party zu verlassen. Ich kann mich an alle Einzelheiten erinnern, aber trotzdem schlief ich. Später ging ich zu meinem Wagen zurück und sah zufällig ins Schaufenster eines Buchladens, um meine Haltung beim Gehen zu überprüfen – so wie wir alle gedankenverloren und gebannt täglich in Dutzende von Spiegeln und geeigneten Flächen schauen, aufmerksam und gedankenverloren zugleich, und anscheinend etwas verifizieren wollen, das sich gar nicht in Worte fassen lässt –, als ich verblüfft merkte, dass ich bei der Party mindestens ein Dutzend Leute kennengelernt und gesprochen hatte (ich hielt mich damals für »sozial«, wenn auch nicht im konventionellen Sinne, denn ich ging nicht zu jeder Menge Partys), aber absolut nicht sagen konnte, ob mir einer davon sympathisch gewesen war – ich hatte mich die ganze Zeit so sehr gefragt, ob sie mich mochten, dass ich sie gar nicht richtig wahrgenommen hatte oder jedenfalls kaum auf die Weise, die mir – wie mir damals auffiel und was auszusprechen mir jetzt noch schwerfällt – plötzlich wichtig schien, zu der ich aber außerstande war. Ich lehnte an einer Parkuhr und konnte das Gefühl, das mich überkam, nicht auf einen Begriff bringen, aber heute weiß ich, dass ich kurz aufgewacht war und einen flüchtigen Blick auf mein Selbst erhascht hatte, und zwar nicht in einem Fenster. Es wäre übertrieben, zu behaupten, es wäre mehr als ein kurzes Flattern der Augenlider oder ein Kopfwenden auf dem Kissen gewesen – denn die Feststellung kollabierte praktisch sofort in den benachbarten, aber schlaftrunkenen Gedanken, dass eine Unsicherheit oder ein Narzissmus, die so ausgeprägt sind, dass ich nicht mal meine Gefühle für neue Bekanntschaften in Worte fassen kann, mich diesen absolut nicht sympathisch oder attraktiv gemacht haben kann, also hatten sie mich höchstwahrscheinlich kein bisschen gemocht, und zwar perverserweise nicht trotz , sondern wegen der Wichtigkeit der Frage, ob Leute, von denen ich nicht sagen konnte, ob ich sie mochte, mich mochten, und der ganze Gedankengang wurde immer schwurbeliger, eine stickige Zwickmühle, der Stoff, aus dem die Albträume und die Ichbezogenheit sind, und ich schauderte und krümmte mich den ganzen Heimweg von der Bradley über, grübelte noch wochenlang über dieses Aufblitzen und bildete mir ein, das Grübeln diene der Selbsterkenntnis. Aber immerhin hatte ich dieses primordiale Aufblitzen erfahren, und der Gedanke, dass ich zu so beschränkten Reaktionen imstande war, ließ mich nicht mehr los, überlebte das Grübeln über dem äußeren Anschein dieser Beschränkungen, und im restlichen Grund-, ja sogar noch im Hauptstudium blieb mir eine gewisse Sensibilität für meine abnorme Selbstbeweihräucherung und involuierte Omphaloskopie – ich bekam den ganz blassen Schimmer eines Büfetts, an dem ich saß, ohne zu essen, weil ich die ganze Zeit mein Spiegelbild in einem Suppenlöffel anstarrte und rauskriegen wollte, was an dem Spiegelbild richtig und was verzerrt war – ebenso wie die anderer.
    Ich bin diplomierter Wirtschaftsprüfer und IRS-Ertragsagent, Besoldungsgruppe D4. Ich habe im April 1979 meine CPA-Prüfung abgelegt und im Oktober ’79 auch die Nachprüfung Steuern.

 
     
     
    Das folgende Kapitel deckt sich teilweise mit anderen Kommentaren des Romans zur öffentlichen Wahrnehmung von IRS-Steuerprüfern. Der Sprecher scheint eine Gegensatzfigur zur ichbezogenen Figur im voranstehenden Kapitel zu sein.
     
    Ich bin ein Schläger. War nie was anderes. Das muss von Anfang an klar sein. Die Welt ist grausam, eine sich selbst verzehrende Flamme, jeder gegen jeden. Das dürfte Ihnen kaum unbekannt sein – angesichts der Tatsache, dass Sie Muße und Mittel haben, diese Autobiografie zu lesen, dürften Sie sich mit der brutalen Tatsache arrangiert haben, dass sich das Leben erhält, indem es anderes Leben verzehrt. Man frisst oder wird gefressen. Das ist ein Gesetz, das wir meiner Erfahrung nach nicht erlassen haben.
    Lassen Sie sich also Folgendes gesagt sein: Wenn Sie die ziemlich

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