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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Knöchel des einen Beins auf das Knie des anderen gelegt dasitzt und ein Statistikhandbuch liest. Stecyk kommt zwanzig Minuten später wieder vorbei, der Student sitzt immer noch in derselben Haltung da und liest. Stecyk geht hinter ihm durch den Lesesaal, um sich zu vergewissern, dass der Junge ein paar Seiten weiter ist. Seine Notizen in winziger säuberlicher Handschrift sind linksbündig und präzis. Eine Stunde später sitzt der Junge immer noch in derselben Haltung da und liest in demselben Buch, ist jetzt aber vierzehn Seiten weiter.
    Ein Wachmann vor einer Genossenschaftsbank. Den ganzen Tag in Habachtstellung. Kann weder lesen noch reden. Mustert einfach nur die Leute, die rein- und rausgehen, nickt denen zu, die ihm zunicken. In so einer Pseudopolizeiuniform von Midstate Security. Steht für Zwischenfälle da. Stecyk geht ein paarmal rein und raus, um sich den Wachmann anzusehen. Beeindruckend ist, dass der ihn jedes Mal aufmerksamer mustert, d. h., der Wachmann nimmt wahr, dass Stecyk häufiger rein- und rausgeht, als normal wäre. Er ist imstande, bei einem Job, der todlangweilig sein muss, Aufmerksamkeit aufzubringen.
    Meditations-Halbfinale Mittlerer Westen. An EEGs angeschlossene Kandidaten – wer die längste Zeit Thetawellen erreichen und aufrechterhalten kann, gewinnt.
    Frau am Fließband, die bei Bindfadenknäueln die außen sichtbaren Schlingen zählt. Sie wieder und wieder zählt. Als die Pfeife das Schichtende verkündet, rennen alle anderen Angestellten förmlich zu den Ausgängen. Sie bleibt noch kurz, in ihre Arbeit versunken. Es geht um die Fähigkeit, sich zu versenken.

Vier zusätzliche Szenen
    Unter den Tausenden von Seiten mit Entwürfen, die David Foster Wallace in den Jahren der Arbeit an The Pale King schrieb, finden sich mehrere Passagen, die im IRS-Regionalprüfzentrum spielen und deren Figuren sich nicht in die Erzählung fügen. Teilweise handelt es sich dabei um Fragmente und Fehlstarts. Andere enthalten innere Widersprüche, oder Figuren treten in anderen Rollen als denen auf, die Wallace ihnen später geben sollte. Obwohl diese Entwürfe nicht zum Rest des Romans passen, sind sie oft von umwerfender Komik und variieren Themen, mit denen sich Wallace während der Arbeit an The Pale King beschäftigte. Das Folgende sind vier der abgeschlossensten Passagen.
     
    Ein Berufsanfänger im IRS erinnert sich daran, wie ein Erweckungserlebnis im Studium ihm seine Nichtsnutzigkeit und seinen Narzissmus bewusst machte. Es gleicht den Erfahrungen von Chris Fogle in § 22, weist aber Wallace’ typische Anschaulichkeit und Verdichtung auf. In frühen Entwürfen taucht Shane Drinion wiederholt als Hauptfigur auf.
     
    Eine der größten Leistungen des Service besteht darin, als Gegenmittel oder Korrektiv für den angeborenen Egoismus der Menschen zu fungieren. Wir sind – großzügig mit dieser Aufgabe betraut – dazu da, Amerikaner daran zu erinnern, dass sie Teil von etwas sind, was größer ist als sie selbst oder ihre Familie, und dass sie diesem größeren Kollektiv tributpflichtig sind. Man kann die Bundesregierung als einen Parasiten ansehen, der vom Herzblut des Steuerzahlers schmarotzt. Aber Blut muss zirkulieren und den Organismus auffrischen; ohne seinen Kreislauf tritt der Tod ein. Man kann die Bundesregierung aber auch als das Herz der Menschen als Volk ansehen – so wie die Verfassung das Gehirn dieses Volkes ist – und den Service als die kraftvollen Kontraktionen dieses Herzens.
    Mir ist die zweite Anschauung lieber; ich finde sie sowohl genauer als auch fruchtbarer. Shane Drinion hat mir das beigebracht. Ich mag ihn; er hat mir sehr viel beigebracht. Die folgende Geschichte ist seine Geschichte, und für mich ist es eine Liebesgeschichte.
    Das Leben der meisten Menschen ist unbedeutend, beengt, fahl und traurig, mehr zu betrauern als ihr Tod. Wir verhungern am Büfett: Wir können es nicht sehen, denn dazu müssten wir uns als Hungernde durchschauen – uns selbst aber auch nur einen Augenblick lang deutlich zu erkennen ist niederschmetternd.
    Wir sind nicht tot, aber wir schlafen und träumen von uns. Ich bin da keine Ausnahme. Aber ich habe mich im Bett herumgewälzt. Und hin und wieder bin ich kurz aufgewacht. Am 5. Oktober 1975 bin ich im Grundstudium am PCB praktisch in vollem Lauf aufgewacht. Ich war auf einer Verbindungsparty an der Bradley University am anderen Ende der Stadt. Ich hatte vier Becher Bier getrunken und zweimal an der umgebauten Meerschaumpfeife

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